Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Außenpolitik seit 1953 bestimmt hatte. Er starb am 24. Mai 1959 nach langer Krankheit und wurde durch den politisch blassen und überdies ebenso kränkelnden Christian A. Herter ersetzt. Und selbst Eisenhower zeigte Anzeichen von Amtsmüdigkeit. Sein öffentliches Eingeständnis von 1958, er habe auch «keine völlig neuen Ideen» zur Lösung der Probleme, ließ seine Popularität auf unter 50 Prozent sinken. 23 Zur Präsidentschaftswahl trat er dann auch nicht mehr an, sondern überließ dies seinem Vize, dem antikommunistischen Hardliner Richard Nixon, der im November 1960 dann allerdings, wenn auch nur knapp, gegen den jugendlich wirkenden Kennedy unterlag.
Die Wahl 1960 war einerseits von der innenpolitisch schwierigen Situation, andererseits durch die einschlägigen außenpolitischen Themen geprägt, wobei trotz der scharfen Attacken der beiden Präsidentschaftsbewerber der überparteiliche Konsens in der US-Außenpolitik des Kalten Krieges noch nicht angetastet wurde. Er zerfiel erst während des Vietnamkrieges. Berlin spielte eine wichtige Rolle, ebenso aber, wie 1952, die Frage nach dem richtigen außenpolitischen Programm für den Kalten Krieg. Im Mittelpunkt des republikanischen wie des demokratischen Konzepts stand, die US-Bevölkerung angesichts der Rückschläge im globalen Konflikt durch politische Entschlossenheit zu überzeugen. Im März 1959 waren 78 Prozent der Amerikaner sicher, daß die Anwesenheit der Westmächte in Berlin unverzichtbar sei, selbst wenn das die Kriegsgefahr erhöhe 24 In seiner Wahlkampfrhetorik konzentrierte sich Kennedy vor allem auf eine negative Bestandsauf-nähme der Eisenhower-Ära. Inhaltlich warf er den Republikanern genau das vor, was diese im Wahlkampf 1952 den damals noch regierenden Demokraten vorgehalten hatten. Der künftige Präsident - so legte Kennedy in seiner damals zentralen Senatsrede am 14. Juni 1960 dar, deren Inhalt er fast auf den Tag genau drei Jahre später noch einmal in seiner berühmten Ansprache zur «Strategie des Friedens» wiederholte - erbe eine Politik, die zum großen Teil nur als Reaktion auf sowjetische Aktionen konzipiert worden sei. Sie habe daher lediglich den Status quo konserviert. 25 «Die vor acht Jahren stolz verkündete -Politik hat sich als Reinfall und Trugbild erwiesen», so der Herausforderer. «Die tragisch verlaufenen Aufstände in Ostdeutschland, Polen und Ungarn haben klar gezeigt, daß wir weder die Absicht noch die Möglichkeit hatten, Osteuropa zu befreien, und die falschen Hoffnungen, die wir mit unseren Versprechungen erweckt hatten, wurden grausam enttäuscht.» Eine revidierte Form der US-Strategie für den Kalten Krieg müsse daher «elastischere und den Verhältnissen ange-paßtere Verfahrensweisen entwickeln und in Bereitschaft halten». Dies entsprach bezeichnenderweise genau den Forderungen, wie sie nach den Aufständen Ende 1956 auch vom Nationalen Sicherheitsrat verabschiedet worden waren (NSC 5616). «Wir müssen nun beginnen», so hatte Kennedy speziell mit dem Blick auf das in der US-Außenpolitik immer besonders beachtete Polen betont, «langsam und vorsichtig auf Pläne hinzuarbeiten, die sich dazu eignen könnten, unzufriedene Länder hinter dem Eisernen Vorhang zu ermutigen, die Keime der Freiheit [...] wachsen zu lassen. Wir müssen ihre wirtschaftliche und ideologische Abhängigkeit von Sowjetrußland mindern helfen. Schon gibt es in Polen Gelegenheiten zu größerer amerikanischer Initiative: Hilfeleistungen, Handelsbeziehungen, Tourismus, Informationsdienste, Studenten- und Lehreraustausch und die Heranziehung amerikanischen Kapitals und amerikanischer Technik zur Hebung des Lebensstandards des polnischen Volkes. Auch bei anderen unterdrückten Völkern können wir engere Beziehungen zu uns anbahnen, wenn wir als das Volk, das für sie die einzige große Hoffnung auf Befreiung bedeutet, uns ihnen gegenüber nicht verschlossen zeigen, sondern ein schöpferisches Interesse für sie bekunden.»
Als eine Absage an das traditionelle Ziel, die kommunistischen Staaten zu befreien und den Kalten Krieg zu gewinnen, konnte
man Kennedys Äußerungen trotz der scharfen Angriffe auf die republikanische Befreiungspolitik kaum interpretieren. Tatsächlich zeigte auch Kennedys Außenpolitik gegenüber Kuba und Vietnam dann wieder wesentliche Aspekte der so gescholtenen Liberation Policy. In der Berlin-Frage war die Anknüpfung an die bisherige Linie Eisenhowers und Trumans sogar völlig unbestritten,
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