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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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1953 in Planung befindliche sowjetische «System A» (A35, DIA-Code: ABM-l/SAM-1) sollte bereits seit den sechziger Jahren Moskau vor einfliegenden amerikanischen ICBM schützen. 21 1963 konnten erste Raketen dieses Systems auf dem Roten Platz präsentiert werden. Ein weiterer mobiler Raketenschirm mit der Bezeichnung S 225 (ABM-2/SAM-2) war ab 1965 bei Murmansk entstanden, um über den Nordpol einfliegende Raketen abzufangen. Ein drittes Programm mit dem Namen A 135 (ABM-3/SAM-3) war Anfang der siebziger Jahre als Nachfolger des «Systems A» begonnen worden.
    In den USA wurden in den sechziger Jahren mit den Projekten Sentinel und Safeguard ähnliche Systeme aufgebaut. Ziel war zunächst vor allem, die durch die neuentwickelte sowjetische R-36 gefährdeten Minuteman-Silos zu schützen, aber auch einen Abwehrschirm über der Hauptstadt Washington zu installieren. Da die unkontrollierte Entwicklung dieser Waffensysteme langfristig das als friedensstabilisierend interpretierte Gleichgewicht der Atomwaffen zu gefährden schien, einigten sich die USA und die UdSSR 1972 im sogenannten ABM-Vertrag darauf, daß nur ein einziges dieser Systeme betrieben werden dürfe. Tatsächlich stoppten die USA zunächst den weiteren Ausbau ihrer Anlagen. In der Sowjetunion blieb entgegen den Absprachen, wie man heute weiß, das mobile ABM-2-System noch bis 1978 funktionsfähig. Erst seit diesem Zeitpunkt war der Moskauer Abwehrschirm (ABM-3) acht Jahre das einzige aufrechterhaltene Verteidigungssystem. Seit
    1986 wurden zusätzlich das ABM-1B und 1991 das ABM-X-System aufgebaut. 22 Aber auch die am 23. März 1983 von US-Präsident Reagan angekündigte Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) stellte bereits die ABM-Verträge grundsätzlich in Frage. Obwohl sie während des Kalten Krieges nicht zur Praxisreife kam, hatte sie erhebliche psychologische Wirkungen, da für die Sowjets zu befürchten stand, daß ein solcher Schutzschirm das gesamte «Gleichgewicht des Schreckens» beseitigen könne. Dies wiederum ließ in den achtziger Jahren die Furcht vor dem Beginn eines Dritten Weltkriegs noch einmal deutlich ansteigen.
Den Nuklearkrieg denken
    Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs rechneten sowohl die USA als auch die UdSSR jeweils mit einem Angriff der anderen Seite. Ironischerweise erhöhten die in den folgenden Jahrzehnten steigenden Rüstungspotentiale keineswegs das Sicherheitsgefühl, sondern bewirkten das Gegenteil. Auf beiden Seiten wuchs über die 45 Jahre des Kalten Krieges ein Bedrohungsgefühl, das teilweise hysterische Züge annahm. Bereits 1945 wurden erste Strategiepapiere für den erwarteten Konflikt vorgelegt. Die Bewertung solcher Planspiele wird allerdings dadurch verkompliziert, weil parallel dazu zahlreiche Manöverkonzepte kursierten, die hin und wieder durch Presseveröffentlichungen in den Ruch offizieller «Kriegspläne» rückten. Hinzu kamen nichtoffizielle Äußerungen, die im aufgeheizten Klima der Zeit von der Propaganda der jeweils anderen Seite sofort aufgenommen und als Beleg für die Aggressivität des Gegners verbreitet wurden. Insbesondere im deutschdeutschen Sonderkonflikt gehörten «Weißbücher» mit entsprechenden Aussagen von Überläufern in den ersten Jahrzehnten zur Normalität des Kalten Krieges. Es besteht daher eine grundsätzliche Notwendigkeit, nicht nur zwischen Manöverkonzepten und tatsächlichen Angriffsvorbereitungen zu unterscheiden, sondern auch zwischen offiziellen und inoffiziellen Planspielen. Prinzipiell lassen sich dabei die westlichen Konzeptionen für einen Krieg mit der UdSSR einfacher beurteilen als die sowjetischen. Durch die liberaleren Archivordnungen in den USA konnten authentische Unterlagen zum Teil bereits während des Kalten Krieges publiziert werden. 23 Daß auch in der UdSSR seit 1945 Pläne in der Schublade lagen, ließ sich unter anderem aus den Äußerungen Stalins schließen. Nach 1991 war es dann auch möglich, einige zu veröffentlichen. 24
    Zwischen Kriegsende 1945 und dem erfolgreichen Test der sowjetischen Atombombe 1949 stand das Nuklearwaffenmonopol im Mittelpunkt aller US-Planungen. Dies schloß zeitweilig auch die Überlegungen mit ein, einen Präventivkrieg zu führen, solange Moskau noch nicht über eine eigene Bombe verfügte. Die Sowjets, so nahm man darüber hinaus auf amerikanischer Seite an, würden sich nur dann von einem Angriff in Mitteleuropa mit ihren überlegenen konventionellen Armeen abschrecken lassen, wenn man ihnen mit dem Einsatz

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