Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
ihre Manöver für den Nuklearkrieg absolvierten, aber zum Beispiel auch auf Kuba, direkt vor dem amerikanischen Festland, stationiert wurden. Weil Tupolev-Bomber nicht nur bekannt, sondern auch im Westen als wirkungsvolle Strategische Waffensysteme galten, standen sie Mitte der siebziger Jahre auch im Mittelpunkt der amerikanisch-sowjetischen Abrüstungsverhandlungen. Der 1975 in Dienst gestellte Nachfolger der Tu-20, die Tu-26, die im NATO-Code Backfire genannt wurde, wurde zu einem der großen Streitpunkte.
Warum sich der zentrale Rüstungswettlauf des Kalten Krieges auf dem Gebiet der Strategischen Raketen entwickelte, hatte mehrere Gründe. Als es im Schlüsseljahr 1947 auf beiden Seiten gelang, eine auf der deutschen V-2 basierende Rakete starten zu lassen (R-l Pobeda/ USA: Aerobee), war unter Strategen bereits unbestritten, daß der Krieg der Zukunft vor allem auch ein Raketenkrieg sein werde. Dafür sprachen nicht zuletzt auch finanzielle Gründe. Herkömmliche Bomber blieben jedoch aufgrund der mangelnden Zielgenauigkeit von Raketen noch auf Jahre unverzichtbar. Ein Meilenstein in der Entwicklung der ersten Interkontinentalrakete war die ab 1946 geplante amerikanische SM-62 (B-62) Snark. Sie konnte 1951 zum ersten Mal erfolgreich getestet werden, litt aber unter zahlreichen gravierenden technischen Problemen. Ab 1957 dennoch in Dienst gestellt, blieben Snarks noch bis 1961 stationiert. Für die Raketentechnik des Kalten Krieges waren sie deshalb ein Meilenstein, weil man für ihre Entwicklung und Steuerung zum ersten Mal die neuentwickelte Computertechnik systematisch nutzte. Doch erst mit der parallel entwickelten, 1960 in Dienst gestellten amerikanischen Atlas-Rakete (SM-65), die über 14 000 km Reichweite verfügte und bereits 3,75 Megatonnen auf vier Kilometer genau ins Ziel bringen konnte, war das Zeitalter der Interkontinentalraketen endgültig eröffnet. Mit ihr verkürzte sich zum ersten Mal auch die Vorwarnzeit erheblich. Da die Raketen der Atlas-Serie nicht mehr in Bunkern gelagert wurden, sondern stationär in Silos eingebaut waren, brauchten sie auch nicht mehr umständlich herausgefahren und betankt zu werden. Trotzdem waren auch diese ersten ICBM-Generationen im Vergleich zu späteren noch extrem langsam. Dies änderte sich mit den ab 1962 in Dienst gestellten Versionen der Minuteman-Serie (LGM-30), von der allein 2400 Exemplare produziert wurden. Dieser immer weiter entwickelte Raketentyp mit rund 11 500 km Reichweite konnte in späteren Versionen nicht nur binnen einer halben Stunde an jedem Punkt der Erde sein. Mit seiner ab 1959 begonnenen Entwicklung war auch der Übergang von der seit 1947/48 üblichen Transistor- zur Mikrochip-Technologie vollzogen. Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf seine Treffgenauigkeit, die schließlich bei etwa 200 Metern lag. Möglich wurde nun auch die Verwendung von Mehrfachsprengköpfen. Die ab 1970 in Dienst gestellte Minutemanlll war in der Lage, drei Sprengköpfe mit je 335 Kilotonnen ins Ziel zu bringen. Nicht zuletzt war mit jeder neuen Generation von Raketen - dies betraf auch die Kurz- und Mittelstreckenvarianten - die Zerstörungskraft um ein Vielfaches gesteigert worden. Die in der letzten Phase des Kalten Krieges 1986 als Nachfolger der Minutemanlll in Dienst gestellte Peacekeeper MX (LGM-118) konnte mit einer Rakete zehn Sprengköpfe von je 500 Kilotonnen auf 100 Meter genau ins Ziel bringen.
Die Entwicklungsphasen Strategischer Raketen verliefen in der UdSSR auffallend parallel. Die erste Langstreckenrakete mit atomarem Sprengkopf war 1955 die sowjetische R-5 (SS-3 Shyster), die allerdings mit einer Reichweite von rund 1200 km noch weit davon entfernt war, das Territorium der USA ernsthaft zu gefährden. Sowjetische Drohungen während der Suezkrise gab es trotzdem, zumal westeuropäische Zentren erreicht werden konnten. Ab 1958 war sie kurzzeitig als erster sowjetischer Typ auch außerhalb der UdSSR stationiert worden. Vorgesehene Ziele waren in der damals aktuellen Zweiten Berlinkrise nicht nur westalliierte Basen und Häfen, sondern zum Beispiel auch amerikanische Raketenstellungen in Großbritannien. Auch der 1957 erfolgreich getestete Sputnik-Transporter R-7 (SS-6 Sapwood) war im Gegensatz zur Wahrnehmung in den USA noch keine wirkliche Bedrohung für den amerikanischen Kontinent. Diese kam erst parallel zur Stationierung der amerikanischen Atlas- und Minuteman- Serie mit der 1962 unter erheblichen technischen Problemen in Dienst gestellten
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