Der Kalte Kuss Des Todes
zu wabern und zu verschwimmen, seine Augen wurden zu feurigen Rädern, sein Maul zu einem bodenlosen schwarzen Schlund. Wutentbrannt kam er durch die tosenden Fluten auf mich zu, Dampfwolken stiegen auf, sein Zorn brachte das Wasser zum Kochen.
Den Seelenbinder fest in der einen, mein Geistermesser in der anderen Hand, wartete ich reglos, bis er nahe genug herangekommen war. Dann stach ich ihm beide Messer tief in den Leib.
Und die Themse schlug über meinem Kopf zusammen.
Epilog
I ch schlug die Augen auf, und über mir erstreckte sich ein samtschwarzer Nachthimmel, an dem Lichter in allen Regenbogenfarben funkelten. Aber diesmal beugte sich kein Engel über mich. Ich blinzelte. Etwas Glattes, Glänzendes, Unfertiges blickte mich an. Ich blinzelte erneut, und aus dem unförmigen Brocken wurde ein glänzendes braunes Gesicht, unförmigen Brocken wurde ein glänzendes braunes Gesicht, dessen Mund sich zu einem breiten Grinsen verzog. In der polierten Haut spiegelten sich die bunten Lichter, die ich nun als Feuerwerk identifizierte.
Und das Gesicht, das lächelnd auf mich herabblickte, war das frisch polierte Antlitz meines Hausmeisters, Mr. Travers.
»Hallo, Genny«, stieß er laut rumpelnd hervor, sodass ich ihn sogar über das Knallen und Zischen der Feuerwerkskörper verstehen konnte. An seiner Nasenspitze hing zitternd ein dicker Wassertropfen, der sich in diesem Moment löste und mir klatschend aufs Kinn fiel. »Schön, dass du wieder unter den Lebenden weilst.«
Und erneut explodierten mit lautem Knallen Feuerwerkskörper am Himmel. Mir war speiübel. Ich rollte mich auf die Seite und erbrach würgend das nach Schwefel stinkende Flusswasser.
»So ist’s gut, besser draußen als drinnen«, sagte er und tätschelte mir den Rücken, »deine Innereien werden’s dir danken.«
Ich stehe auf dem Friedhof der St. Paul’s Kathedrale. Es ist still hier, der Verkehr dringt nur wie ein fernes Rauschen an mein Ohr. Die Sonne scheint, aber es weht ein scharfer Novemberwind, Vorbote des kommenden Winters. Das Gras ist froststarr unter meinen Schuhsohlen, und mein Atem hängt in weißen Wölkchen vor meinem Gesicht. Ich muss an Wasser denken, das strudelnd über mir zusammenschlägt, aber ich verdränge den Gedanken, verschließe ihn fest in einem versteckten Gedankenfach und werfe den Schlüssel weg …
Der Dämon ist fort. Für immer? Wohl nicht. Die Schlangen halten still, und Mr. Travers reicht mir mit einem traurigen Lächeln eine Kerze. Mit tauben Fingern ergreife ich sie und halte sie wie eine Fackel der Hoffnung.
Allerseelen.
Wir sind hier, um für die Toten zu beten.
Mr. Travers hält einen brennenden Holzspan an meine Kerze, und ich schaue zu, wie der Docht Feuer fängt. Meine Hand zittert, und auf Mr. Travers’ Gesicht klaffen tiefe Sorgenspalten. Brauner Staub steigt von seinem kantigen Schädel auf, und er schaut sich fast hilfesuchend um. Aber dann richten sich seine gütigen braunen Augen wieder auf mich, und er tätschelt mir mit einem mitfühlenden Lächeln die Schulter.
Die Messe beginnt. Die Worte schwappen wie Wellen an den Strand meines Bewusstseins, wahrgenommen, aber nicht gehört.
Die Trolle waren es, die uns gestern Nacht gerettet haben. Sie sprangen von der London Bridge, wo sie ihre HalloweenParty feierten, und fischten uns aus der kalten Themse. Mr. Travers ist seitdem nicht von meiner Seite gewichen. Er hat mir erzählt, dass wir Fae jetzt alle Helden seien, ich bräuchte mir nur die Schlagzeilen anzusehen: HALLOWEENGRU-SEL: SIDHE vs. DÄMON. Eine andere Zeitung meldet:
NAJADEN UND HEXEN KÄMPFEN VEREINT IN DER STUNDE DER NOT … und errichten aus Erde, Wasser und Luft einen Bannkreis, um den Dämon einzufangen, der London zu verwüsten droht .
Natürlich gab es auch weniger positive Schlagzeilen: LONDON BRIDGE WIEDER MAL ZUSAMMENGEBRO-CHEN – die Brücke muss auf absehbare Zeit geschlossen werden, um Reparaturen am Fundament vorzunehmen. Die Kosten für den Steuerzahler …
Der Blumenlehrling – sein Name ist Collin – liegt derzeit noch in der HOPE-Klinik und erholt sich von seinen eher leichten Verletzungen – hauptsächlich Blutergüsse und Abschürfungen. Wie weit ihm das kalte Bad in der Themse geschadet hat, muss sich erst noch erweisen.
Bobby und Rosa werden noch vermisst. Man geht allgemein davon aus, dass die beiden vom Fluss mitgerissen wurden. Rosa konnte sich nicht wehren, weil ihre Seele noch immer in ihrem Amulett steckt, und Bobby war bewusstlos, weil ich
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