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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten. Und immer abends vor dem Fernseher. Das ist normalerweise der beste Schlaf, den ich kriege, so zwischen halb neun und halb zehn abends, oft eine ganze Stunde, wenn ich Glück habe.«
    »Ein Mensch, der nie schläft, würde sterben«, sagt Ginny. Das verwirrt mich, bis ich begreife, dass sie über die Menschen redet, die ich eben in einem Nebensatz erwähnt habe, diejenigen, die weniger Glück haben als ich.
    »Es gibt Menschen, die daran sterben«, entgegne ich. »Leute mit LFI.«
    Ich spüre, wie sie darauf wartet, dass ich fortfahre.
    »Letale familiäre Insomnie. Das ist eine Erbkrankheit. Nicht lustig. Absolute Schlaflosigkeit, Panikanfälle, Phobien, Halluzinationen, Demenz, Tod.«
    »Fahren Sie fort.«
    Ist die Frau eine Idiotin? »Das war’s«, entgegne ich. »Tod ist der letzte Punkt auf der Liste. Danach kommt normalerweise nicht mehr viel. Wäre ja eine Erleichterung, wenn man nur nicht zu tot wäre, um es würdigen zu können.«
    Als sie nicht lacht, beschließe ich, noch düsterere Töne anzuschlagen. »Für manche Leute ist es natürlich ein zusätzlicher Bonus, dass ihre ganze Familie ebenfalls stirbt.« Ich warte auf ihre Reaktion. Ein leises Glucksen würde mir schon reichen. Ist sie so selbstsicher, dass sie meine Bemerkung einfach übergehen, einen Witz einen Witz sein lassen kann?
    »Haben Sie den Wunsch, dass Ihre Familie stirbt?«
    Vorhersagbar enttäuschend. Enttäuschend vorhersagbar.
    »Nein. Das ist nicht das, was ich gesagt habe.«
    »Haben Sie schon immer unter Schlafstörungen gelitten?«
    Ein rascher und eleganter Themenwechsel, mit dem ich mich nicht wohl fühle. »Nein.«
    »Wann hat es angefangen?«
    »Vor anderthalb Jahren.« Ich könnte ihr das genaue Datum nennen.
    »Wissen Sie, warum Sie nicht schlafen können?«
    »Stress. Bei der Arbeit und zu Hause.« Ich formuliere es so unbestimmt wie möglich und hoffe, dass sie nicht nach Einzelheiten fragen wird.
    »Und wenn eine gute Fee ihren Zauberstab schwenken und die Ursachen dieses Stresses beseitigen würde …?«
    Ist das eine Fangfrage? »Dann würde ich gut schlafen können«, sage ich. »Früher habe ich immer gut geschlafen.«
    »Das ist gut. Ihre Schlaflosigkeit hat also äußere Ursachen, nicht innere. Es ist nicht so, dass Sie , wegen etwas in Ihnen selbst nicht schlafen können. Sie können nicht schlafen, weil Ihre gegenwärtige Lebenssituation Sie unter unerträglichen Druck setzt. Jeder in Ihrer Lage würde es schwierig finden zu schlafen, richtig?«
    »Ich glaube schon.«
    »Das ist noch besser. Das ist die Art Schlaflosigkeit, die man haben möchte.« Ich kann hören, wie sie mich anstrahlt. Wie ist das möglich? »Nicht mit Ihnen stimmt etwas nicht. Ihre Reaktion ist absolut normal und verständlich. Können Sie Ihre Lebenssituation so verändern, dass die Stressquellen ausgeschaltet werden?«
    »Nein. Hören Sie, aber … dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen, glauben Sie mir. All die Nächte, in denen ich wachgelegen und darüber nachgegrübelt habe, was alles nicht stimmt …« Jetzt nicht emotional werden. Betrachte es als Business-Meeting – du bist eine unzufriedene Kundin. »Ich kann die Stressquellen nicht aus meinem Leben entfernen. Sie sind mein Leben. Ich hatte gehofft, mit der Hypnotherapie könnte ich …« Ich kann nicht aussprechen, was ich eigentlich sagen wollte. Es würde lächerlich klingen, wenn ich es in Worte fasste.
    »Sie hatten gehofft, ich könnte Ihr Gehirn täuschen«, fasst Ginny zusammen. »Sie wissen, und Ihr Gehirn weiß, dass es gute Gründe gibt, sich zu fürchten, aber Sie hatten gehofft, die Hypnose könne es dazu bringen zu glauben, dass alles in schönster Ordnung ist.« Also jetzt macht sie sich bestimmt über mich lustig.
    »Wenn Sie das für eine so lächerliche Idee halten, warum haben Sie sich dann für diesen Beruf entschieden?«, sage ich kurz angebunden.
    Sie sagt etwas, das klingt wie: »Versuchen wir es mit dem Baumschüttler.«
    »Was?«
    Ich muss beunruhigt geklungen haben. »Vertrauen Sie mir«, sagt Ginny. »Es ist nur eine Übung.«
    Sie wird sich damit zufriedengeben müssen, dass ich ohne weitere Diskussionen nachgebe. Vertrauen ist ein zu kostbares Gut, um es jemandem abzuverlangen, den man kaum kennt.
    »Vielleicht verspüren Sie den Wunsch, die Augen zu schließen – das macht es einfacher.«
    Darauf würde ich nicht wetten.
    »Es wird Sie vielleicht erleichtern, dass Sie so gut wie gar nicht sprechen müssen.

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