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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft . Der Vorsitzende, Josip Vrdoljak, ein Freund der Familie, habe sie miteinander bekannt gemacht. Auch Thomas habe ihn gekannt, er sei ein Jahr lang Vrdoljaks Chauffeur gewesen, und bei ein paar Gelegenheiten sei Ivica Marković mitgefahren. Ein guter Mann, der Ivica, er habe viel für die kroatische Befreiung von der serbischen Unterdrückung getan. Tag für Tag habe er versucht, Politiker in Bonn, Baden-Württemberg und anderswo von der Wahrheit zu überzeugen, bis sie die Tragödie des kroatischen Volkes verstanden und dessen Recht auf Freiheit endlich anerkannt hätten.
    »Von der Wahrheit?«, fragte Schneider.
    »Dass Tschetniks wollten ganz Kroatien erobern.« Ćavar leerte das Glas. »Ist Befragung jetzt fertig?«
    »Noch nicht«, sagte Adamek. »Sie haben keinen Kontakt mehr zu Marković?«
    Ćavar verneinte. Seit dessen Rückkehr nach Zagreb 1992 habe er ihn nicht mehr gesehen.
    Adamek schenkte Mineralwasser in die drei Gläser und trank.
    »Ich brauche Licht«, sagte er.
    »Licht?«, murmelte Ćavar.
    Adamek lehnte sich zur Wand hinüber, betätigte den Schalter neben der Tür. Im Licht der Deckenlampe funkelten und strahlten die Zierteller, als würden sie jeden Tag geputzt. Blinzelnd begegnete er Schneiders Blick, der zu fragen schien: Darf ich?
    Er nickte.
    »Wissen Sie, dass sich in den letzten Tagen zwei Fremde nach Thomas erkundigt haben?«, fragte sie. »Kroaten.«
    »Ich habe es gehört.«
    »Haben Sie eine Ahnung, weshalb?«
    »Sie waren Kameraden von Thomas in Krieg.«
    »Kennen Sie sie?«
    »Nein.«
    »Haben sie nicht mit Ihnen gesprochen?«
    »Nein.«
    »Die beiden waren Kameraden Ihres Sohnes und haben Sie nicht kontaktiert?«, fragte Adamek. »Ist das nicht merkwürdig?«
    »Vielleicht er hat ihnen schlecht gesprochen von mir.«
    »Wer hat Sie damals vom Tod Ihres Sohnes informiert?«
    »Damir.«
    »Wer ist das?«, fragte Schneider.
    »Anderer Kamerad.«
    »Wie heißt er mit Nachnamen?«
    Ćavar zuckte die Achseln. »Damir aus 141. Brigade von Kroatische Armee.«
    Um sechs Uhr dreißig am Morgen des 14. September 1995 hatte das Telefon der Ćavars geklingelt, ein Mann – Damir – hatte ihnen mitgeteilt, dass ihr Sohn zwei Tage zuvor nahe Drvar bei einem serbischen Überfall ums Leben gekommen sei. Die Serben hätten seine Leiche und die anderer mitgenommen und in eines ihrer Massengräber geworfen. Nur seine Mütze sei gefunden worden.
    Ćavar brach ab. Er hatte plötzlich Tränen in den Augen.
    Die Russenmütze, ein Geschenk, fuhr er fort. Thomas habe sie fast ununterbrochen getragen, selbst im Sommer. Damir habe versprochen, dafür zu sorgen, dass die Mütze und Thomas’ übriger Besitz nach Rottweil geschickt würden. Es sei nie etwas angekommen. Nichts sei ihm geblieben von seinem jüngeren Sohn.
    »Haben Sie bei der Armee nachgefragt?«, sagte Adamek.
    »Wir haben Brief geschrieben.«
    »Und?«
    »Armee hat nicht geantwortet. Es war Krieg, Chaos. Es gab zu viele Tote.«
    »Sie haben Damirs Worte nie angezweifelt?«
    »Nein.«
    Schneider beugte sich vor. »Hatten Sie nicht … eine letzte Hoffnung? Dass es ein Irrtum war?«
    Ćavar schüttelte den Kopf.
    »Sie haben sich nicht an das Rote Kreuz gewandt? An die kroatische oder die bosnische Regierung?«, fragte Adamek.
    »Nein.«
    »Warum nicht, Herr Ćavar?«
    Die Antwort war einfach und plausibel.
    Sie hatten nie wieder etwas von Thomas gehört.
    Kurz darauf bat Adamek, die Toilette benutzen zu dürfen. Ćavar, dessen Hände vom Sliwowitz zitterten, erhob sich halb und wies den Weg. An der Tür wandte Adamek sich um, formte in Schneiders Richtung das Wort Bachmeier mit den Lippen.
    Sie nickte. »Sie kennen Markus Bachmeier?«
    »Ja«, sagte Ćavar.
    Im dunklen Flur tastete Adamek nach dem Lichtschalter. Die Gästetoilette lag zu seiner Linken vorn bei der Haustür, das Telefon stand zu seiner Rechten auf einem Tischchen neben der Treppe. Er zog den Funkpeiler aus der Jackentasche und klappte die kleine Antenne auf. Der Peiler schlug an, noch bevor er das Telefon erreicht hatte. Er war nicht weiter überrascht. Sie hörten Ehringer ab, sie hörten Ćavar ab.
    Jagten Bachmeiers Scheune in die Luft.
    Doch wer? Und warum? War außer Marković und den beiden Männern, die in Rottweil nach Thomas fragten, noch jemand im Spiel?
    Er wollte sich eben zur Toilette wenden, als er über sich Geräusche hörte – wie schlurfende Schritte. Dann war es wieder still bis auf die Stimme Ćavars, die gedämpft

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