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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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durch die Wohnzimmertür drang.
    Die Holzstufen waren mit einem ausgeleierten Läufer beklebt, knarzten in der Mitte, an den Rändern nicht.
    Drei Türen im ersten Stock, nur eine war geöffnet, das Bad.
    Er warf einen Blick hinein. Gelbe Kalkränder in Waschbecken und Wanne, der kleine Mülleimer quoll über, auf dem Boden daneben benutzte Taschentücher, vor Wanne und Klo fleckige hellblaue Vorleger.
    Sekundenlang lauschte er an der linken der beiden geschlossenen Türen. Schließlich drückte er die Klinke hinunter.
    Ein Jungenzimmer.
    Zwei einzelne Betten, über dem einen ein Poster der Meistermannschaft des VfB Stuttgart von 1984, über dem anderen eines vom FC Bayern 1985. Ein uralter Röhrenfernseher, ein Schrank aus dunklem Holz, an den Wänden Plakate von Bands und Schauspielern. Im spärlichen Abendlicht erkannte er Queen und Phil Collins, die kahlgeschorene Sinéad O’Connor, Marius Müller-Westernhagen, Sharon Stone in Basic Instinct und, fast verborgen im Dunkel neben dem Schrank, Pierre Brice und Lex Barker als Winnetou und Old Shatterhand.
    Er schmunzelte. Sie gehörten derselben Generation an, Thomas, Milo und er, und wenn er als Zwanzigjähriger Poster an seine Zimmerwände gehängt hätte, dann vielleicht diese. Abgesehen vom VfB natürlich, stattdessen Borussia Mönchengladbach, die legendäre Fohlenelf mit Allan Simonsen.
    Lautlos schloss er die Tür.
    Auch aus dem anderen Zimmer drang kein Geräusch. Eine Hand am Hüftholster, schob er die Tür auf.
    Niemand.
    Irritiert rieb er sich den schmerzenden Hüftknochen. Er musste sich getäuscht haben.
    Ein ungemachtes Doppelbett, ein ähnlicher Schrank wie im Jungenzimmer, nur größer, eine Kommode und erneut Zierteller, wenn auch längst nicht so viele wie im Wohnzimmer, etwa dreißig Stück aus Kroatien – »Osijek« las er auf dem einen, »Zagreb« auf dem nächsten, »Dubrovnik« daneben.
    Plötzlich gerieten Kopfkissen und Bettdecke in Bewegung, ein Haarschopf und ein Arm tauchten auf. Eine Frauenstimme murmelte in reinstem Schwäbisch: »Hat ja lang gedauert, wer war’s denn?«
    Oder etwas Ähnliches.
    Seufzend schloss Adamek die Tür, schaltete das Licht an und sagte leise: »Kripo, entschuldigen Sie die Störung.«
    Der Schopf fuhr herum, eine welke Frau um die sechzig starrte ihn an. Adamek legte den Finger an die Lippen, zeigte seinen Dienstausweis.
    Sie nickte mechanisch.
    Er wartete, bis der nackte Arm unter die Decke geschlüpft war, dann kniete er sich vor das Bett. »Wer sind Sie?«, flüsterte er.
    »Eine Freundin«, erwiderte sie ebenso leise.
    »Aus der Nachbarschaft?«
    Wieder ein Nicken, diesmal rascher. Eine Hand tauchte auf, zupfte an den kurzen, künstlichen Locken.
    »Haben Sie einen Namen?«
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Nur für mich.«
    Sie presste die Lippen aufeinander. In den kleinen Augen standen Tränen.
    »Nur für mich«, wiederholte er.
    »Wiebringer«, hauchte sie.
    »Vorname?«
    »Elisabeth.«
    »Danke.«
    Schweigend sahen sie sich an. Jetzt liefen die Tränen in Strömen.
    »Ich wart, bis es dunkel ist, dann lauf ich heim«, sagte sie.
    Adamek nickte. »Ist bald so weit.«
    »Eine Stunde wart ich noch.«
    »Das sollte reichen.«
    Ein unterdrückter Schluchzer. »Ich bin verheiratet …«
    »Ich weiß.« Er stand auf, setzte sich auf den Rand des Bettes.
    »Aber ich tu’s nicht mehr«, flüsterte sie. »War das letzte Mal heute, das hab ich mir geschworen. Ich bin nicht so. Dass ich so was tu. Ich hab’s auch erst getan, als ihm die Marija gestorben war.«
    »Geht mich nichts an, Frau Wiebringer.«
    »Er dauert mich so, und ich kenn ihn doch schon so lang.«
    »Dann kannten Sie den Thomas auch?«
    Sie riss die Augen auf, schlug sich eine Hand auf den Mund. »Der arme Tommy, wurde im September fünfundneunzig in Bosnien ermordet, die Leich haben sie in ein Massengrab geworfen.«
    »Wer hat ihn ermordet?«
    »Die anderen natürlich. Die Feinde.«
    »Die Muslime?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Die anderen. Die Kommunisten.«
    »Die Slowenen?«
    »Richtig, die Slowenier.«
    »Oder die Serben?«
    Sie schlug sich gegen die Stirn. »Ja, die waren’s, die Serben. Kann ja kein Mensch auseinanderhalten.«
    »Was hat der Tommy denn in Bosnien gemacht?«
    »Na, gekämpft! Er war ja innerlich ein Kroate. Ein Deutscher vom Pass, aber ein Kroate vom Herz.«
    »Den Milo und seine Töchter kennen Sie auch?«
    »Natürlich!«
    »Wie heißen die Mädchen gleich noch mal?«
    »Anna und Julia.«
    Adamek nickte, und

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