Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum
Milo gut?«
Sie schüttelte den Kopf. Er kam manchmal mit seinen Töchtern, Nina zeigte ihnen die Kühe und die Kaninchen. »Warum haben die Kroaten nicht den Milo gefragt, wo Thomas ist?«
»Weil er es ihnen auch nicht sagen würde.«
Der Kollege kam aus der Küche, je eine Flasche Mineralwasser, Cola, Saft in den Händen. »Gleich geht’s los«, sagte er.
Adamek hatte ihn auf Anhieb gemocht. Ein stiller, pragmatischer Mensch, groß und kräftig. Selbst mit Küchenschürze schien er dazu auserkoren, andere zu beschützen.
»Wo bleibt denn Ihre Kollegin mit der Nina?«, fragte Theresa Bachmeier.
»Ich hole sie.«
Er stand auf und ging hinaus.
Auf dem Vorplatz blieb er für einen Moment stehen und füllte die Lungen mit der kühlen Abendluft. Der Schmerz im Becken war nun beständig da, hatte sich in seinen Nerven eingenistet. Sitzen, Stehen, Gehen verschlimmerte es. Er freute sich aufs Liegen.
Langsam ging er über den Platz auf den Stall zu. Schon mit der Holzwand begann die Dunkelheit, rings um den Hof lag die Nacht. Ein paar Kilometer nördlich hörte er einen Hubschrauber in der Luft stehen, im Westen flog der zweite. Keine Nachricht von der Fahndung, keine Sichtung von Verdächtigen, nichts. Zwei fremdländische Männer mit einer Geisel fielen auf, zumal nachts in dieser Gegend nicht viele Menschen unterwegs waren. Alle größeren Straßen rund um das Tal von Sperren gesichert, auf den kleinen gelangte man nicht aus der abgeriegelten Zone.
Geheimdienst oder Militär, vermutete der Onkel. Ausgebildete, bewaffnete Spezialisten, die wussten, was zu tun war. Natürlich auch, dass ihre Chancen ohne Bachmeier besser standen.
Adamek betrat den Stall. Der Geruch von Kuhmist, Stroh, warmen Tierleibern schlug ihm entgegen. Etwa zwanzig Kühe, ein paar standen, die meisten lagen.
Sie saßen im Stroh neben der Tränke, die Polizistin, das Bauernkind, bereits Freundinnen, wie es aussah.
»Die Nina erzählt mir gerade von Methusalem.«
»Er ist heut früh gestorben, wie’s gebrannt hat«, sagte Nina mit belegter Stimme. Sie trug ein grünes Kleid, grüne Strumpfhosen, grüne Turnschuhe. Sie hatte die Hände zwischen die Knie gepresst und starrte auf ihre Füße. Ihr Haar war dunkel, ihr Gesicht klein und spitz wie das ihrer Mutter.
»Das tut mir leid. Er ist sehr alt geworden, oder?«
»Ja.«
Sie sah ihn an, als erwartete sie weitere Fragen. Weil ihm keine einfielen, schwieg er. Er konnte nicht mit Kindern. Wollte vielleicht nicht mehr können. Die einzige Frage, die ihm durch den Kopf ging, brauchte er nicht zu stellen: Kennst du Lilly?
»Essen fertig?«, fragte Schneider.
Er nickte.
»Ich muss es noch der Molly erzählen«, sagte Nina.
»Ist das eine Kuh?«
»Eine Katze . Du bist ein komischer Polizist, wenn du dir das nicht denken kannst.«
»Ja«, sagte Adamek.
»Du sprichst auch komisch.«
»Ick weeß.«
Sie lachte ungläubig. »Aber ihr müsst weggehen. Die Molly lebt im Stall, aber sie kommt nicht, wenn wer Fremdes da ist.«
»Dann gehen wir«, sagte Adamek erleichtert.
Schneider erhob sich. »Fünf Minuten, okay, Schätzchen? Das Essen ist fertig.«
Nina war aufgesprungen und zwischen den Kühen verschwunden.
»Hörst du, Nina?«
»Ja-ha.«
Adamek und Schneider verließen den Stall. Vor dem Haus blieben sie stehen.
»Und?«
»Er war mehrere Male hier.«
Leise berichtete Adamek.
Sie überlegten, wie Bachmeier Thomas Ćavar infomiert haben mochte. Ćavar hatte einen falschen Namen benutzt, sich abholen lassen, war weder zur Hochzeit noch zur Beerdigung gekommen, sondern immer erst eine Weile danach – Vorsichtsmaßnahmen eines Flüchtigen. Dass Bachmeier ihn telefonisch oder per E-Mail kontaktiert hatte, war unwahrscheinlich.
»Höchstens aus einer Telefonzelle«, sagte Schneider.
»Oder er hat ihm Briefe geschickt.«
»Oder es gibt einen Kontaktmann.«
»Wir müssen noch mal mit Milo sprechen.«
Sie sah auf die Uhr. »Heute? Es ist halb zehn.«
»Egal.«
Sie gingen zur Tür.
»Wir suchen also nach einem Polen, der Tadeusz heißt.«
»Nein«, sagte Adamek. Er war davon überzeugt, dass Ćavar sich doppelt abgesichert hatte. Er würde es nicht riskieren, dass sich Theresa oder Nina Bachmeier verplapperten. Der Name »Tadeusz« half ihnen nicht weiter, genauso wenig wie die angebliche Herkunft, Polen.
Er konnte überall sein.
Mit Lilly – und mit Jelena?
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DONNERSTAG, 14. OKTOBER 2010
ZAGREB/KROATIEN
Goran Voris Informant ließ sich Zeit.
Es war halb neun, sie
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