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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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die andere Seite gefahren, doch Slavko hatte tatsächlich nicht gewartet. Zwei Monate später meldete er sich erneut, Vori wurde in ein Gebiet an der bosnischen Grenze gelotst, in dem sich noch zahlreiche Landminen befanden. Offenbar besaß Slavko genaue Karten mit gangbaren Wegen.
    »Hast du auch Angst vor Minen?, hat er gefragt, und ich habe gesagt, kein bisschen, und er: Wunderbar, dann können wir ja endlich miteinander reden.«
    Voris digitale Kirchenglocken schlugen erneut. Er las eine Adresse vom Display ab.
    Das Mamutica im Viertel Travno.
    Das »kleine Mammut« ruhte auf einem gigantischen ebenerdigen Garagensystem, die Eingänge lagen über Straßenniveau an einem breiten Betonweg. Sie liefen die Quertreppen hinauf, hielten auf einen von Laternen beleuchteten Hauseingang zu. Im Erdgeschoss Durchgänge und Geschäfte, Betriebe, Cafés über die ganze Breite von einem Viertelkilometer, dann zwanzig Stockwerke übereinandergeschichtet.
    Die Tür war geschlossen, aber nicht verriegelt. Vori schob sie auf, sie traten ein.
    »Haben wir einen Namen?«, fragte Ahrens.
    »Nein. Wir treffen ihn im Keller.«
    »Im Keller? « Sie blickte die Stufen hinab, die unter einer Schräge in einen dunklen Vorraum führten. »Du vertraust ihm, ja?«
    »Nicht mehr als dir.«
    Überrascht runzelte sie die Stirn. »So?«
    »Die Frage ist wohl eher, wie sehr du mir vertraust.«
    »Stimmt. Hast du eine Waffe?«
    »Natürlich.«
    Für einen Moment hatte sie vergessen, dass in diesem Land vor fünfzehn Jahren noch Krieg geführt worden war. Viele Männer in Voris Alter waren Veteranen. Andere, die nicht im Einsatz gewesen waren, hatten ihre Familien beschützt oder waren Kriegsreporter gewesen wie Vori. Waffen waren hierzulande alltäglich.
    »Dann vertraue ich dir«, sagte sie. »Du gehst vor.«

30
    DONNERSTAG, 14. OKTOBER 2010
    NAHE ROTTWEIL
    Als Schneider den Wagen zurück auf die Landstraße lenkte, war es Viertel vor zehn. Diesmal fuhr sie langsam und vorsichtig. Kein Grund zur Eile mehr. Sie hatten Feierabend.
    Milo Ćavar hatte sich mit Kollegen getroffen. Wo, wusste seine Frau angeblich nicht. Wie lange er bleiben würde, ebenfalls nicht. Eine Weile werde es schon noch dauern.
    Können wir ihn telefonisch erreichen?
    Nein, er hat sein Handy vergessen, es liegt hier neben mir.
    Adamek starrte durch die Windschutzscheibe. In der Dunkelheit vor ihm stand Milo Ćavar in einer Telefonzelle und rief: Sie haben den Mägges entführt!
    Wie würde Thomas reagieren? Würde er kommen? Den Krieg eskalieren lassen?
    Er rieb sich die Augen.
    »Müde?«
    »Geht so.«
    Nina war gekommen, als sie sich gerade verabschiedet hatten, enttäuscht, weil sie Molly nicht gefunden hatte. Das Katzenhaus im Stall war leer.
    Du bist schuld!, hatte sie zu Adamek gesagt. Sie hat sich erschreckt, weil sie dich nicht kennt und weil du so komisch sprichst!
    Vielleicht kommt sie, wenn ich ganz weg bin, hatte er erwidert.
    »Drei Sterne«, sagte Schneider. »Wir müssen sparen.«
    »Solange ein Bett im Zimmer steht.«
    »Sogar zwei. Die haben nur Doppelzimmer.«
    »Na dann.«
    »Was macht das Becken?«
    »Alles taub.«
    »Wenn du eine Massage brauchst …«
    Er sah sie schweigend an. Das Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Wagens ließ die herrliche Nase leuchten.
    »Ja oder nein?«
    »Ja«, erwiderte er.
    Sie griff zum Handy, tippte mit der Rechten, während sie mit der Linken lenkte. Adameks Blick glitt von ihrer Hand zu dem Porträt der zwei Jungs, das zwischen ihnen baumelte. In der Dunkelheit waren die Gesichter nicht zu erkennen. Flüchtig dachte er an den Vater der beiden, Buchhalter, Bankangestellter, so was. Zuverlässig und solide, mit Zeit für die Kinder, wenn die Frau sich um den Kollegen aus der Hauptstadt kümmerte.
    Eine SMS -Antwort traf ein.
    »In Ordnung«, sagte Schneider lächelnd.
    Er nickte.
    Wunderte sich über sich selbst.
    So schnell also wurde man zum Lügner und Betrüger.

31
    DONNERSTAG, 14. OKTOBER 2010
    ZAGREB/KROATIEN
    »Ihr habt zehn Minuten«, flüsterte Slavko.
    »Zu wenig«, sagte Yvonne Ahrens.
    »Für heute muss es reichen.«
    »Wird es«, sagte Vori. »Ist jemand an uns dran?«
    Das Licht ging aus. Slavko machte es wieder an und schob ein Zündholz zwischen Schalter und Abdeckung. »An ihr.«
    »Wer?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ihr habt sie abgehängt.«
    Sie standen in einem schmalen Kellergang unter dem Mamutica, Slavko links von ihr, Vori rechts, der eine blickte den Gang hinunter, der andere hinauf, Slavko

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