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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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und verließ die Küche.
    Adamek schwieg, bis er hörte, dass sich die Toilettentür im Flur schloss. »Kennen Sie Richard Ehringer?«
    »Der Politiker aus Bonn.«
    »Ja.«
    »Er war mal zum Abendessen bei uns, mit seiner Frau. Margot, glaube ich.«
    »Margaret.«
    Milo nickte. »Meine Eltern hatten sie aus Dankbarkeit eingeladen, Dr. Ehringer hatte Thomas geholfen … Aber das wissen Sie sicher.«
    »Nein.«
    »Er hat sich beim Staatsanwalt für ihn eingesetzt, im Sommer 1991.«
    »Beim Staatsanwalt?«
    »Der Waffenschmuggel, von dem ich erzählt habe. Thomas hat versucht, Waffen nach Kroatien zu bringen.«
    Adamek hörte die Spülung rauschen, die Toilettentür schabte über den Fußboden. »Und Ehringer hat ihn rausgehauen?«
    »Ja.«
    Schneider trat ein. Ihr Blick fand den Adameks, sie lächelte vielsagend. Sie wusste Bescheid, dachte er. Sie hatte dem Vater am Vorabend eine ähnliche Frage gestellt, als er hinausgegangen war, das Ziertellerzimmer verlassen hatte, um das Telefon zu überprüfen.
    Der angekündigte Termin beim Staatsanwalt.
    »Wir waren bei August 1995«, sagte er.
    Milo nickte. »Am 25. August war Thomas mit mehreren Trupps seines Regiments in Zadolje …«
    »Die Operation ›Sturm‹?«
    »Nein, ›Sturm‹ war vorher.«
    »Erzählen Sie erst davon, ich verliere den Überblick.«
    »Tommy wurde im Juni dem 134. Heimatschutz-Regiment zugeteilt, sie waren in Biograd nahe Zadar stationiert und dem Kommando Split unterstellt. Befehlshaber war Ante Gotovina, vielleicht sagt Ihnen dieser Name …«
    »Ja«, murmelte Adamek. »Ein kroatischer Held.«
    Er sah Schneider schmunzeln, Milo stieß ein Schnauben aus. Der Krieg, sagte er, habe die Lächerlichen zu Helden gemacht. Gojko Šušak, den Pizzabäcker aus Kanada, der unter Tuđman erst Immigrations- und dann Verteidigungsminister geworden sei. Ante Gotovina, der mit achtzehn in die französische Fremdenlegion gegangen, später in Frankreich wegen Juwelendiebstahls verurteilt worden und 1990 nach Kroatien zurückgekehrt sei. Radovan Karadžić, den eitlen Dichter und auf Gruppentherapie spezialisierten Psychiater. Ratko Mladić, Slobodan Milošević, und wie sie alle hießen, die Wahnsinnigen, die Lächerlichen.
    Am 4. August, fuhr er fort, hatte die Operation »Sturm« zur Rückeroberung der Krajina begonnen, hundertachtzigtausend kroatische Soldaten und Polizisten gegen vierzigtausend Mann der Krajina-Serben. Auf Anweisung von Milošević durften weder die Jugoslawische Volksarmee noch die Einheiten der bosnischen Serben eingreifen – die Republik Serbische Krajina sollte einem Friedensabkommen zwischen Zagreb und Belgrad geopfert werden, so wie Vukovar vier Jahre zuvor von Tuđman geopfert worden war, um die internationale Gemeinschaft endgültig auf die Seite Kroatiens zu ziehen.
    »Nicht jetzt auch noch Vukovar, bitte«, sagte Adamek.
    »Entschuldigen Sie.«
    Während Spezialeinheiten der Kroatischen Armee an diesem 4. August tief in die Krajina und bis nach Bosnien eingedrungen waren, hatten ihre Brigaden und Regimenter, die zum großen Teil aus Freiwilligen und Rekruten bestanden, entlang der Frontlinie serbische Kräfte gebunden und Widerstandsnester gesäubert.
    Wie ein entfesselter Sturm tosten die Kroaten über die Krajina.
    Am 7. August befand sie sich wieder unter ihrer Kontrolle. Zweihunderttausend Serben flohen nach Bosnien, Dörfer und Städte wurden durchsucht, zum Teil zerstört. Wer geblieben war, wurde getötet oder vertrieben. Die Krajina sollte serbenfrei werden.
    »Gotovina«, erklärte Schneider. »Das ist der Hauptanklagepunkt, er soll die ethnischen Säuberungen mit Tuđman und anderen beschlossen haben.«
    »Verstehe«, sagte Adamek.
    »Thomas’ Regiment ist über Benkovac nach Ervenik vorgestoßen«, sagte Milo, »und …«
    »Das ist wo?«, unterbrach Adamek.
    »Südliche Krajina. Ervenik liegt ungefähr dreißig Kilometer von Knin und fünfzig von der bosnischen Grenze entfernt. Am 25. August haben sie dann Zadolje erreicht, ein kleines serbisches Dorf. Die Bewohner waren fast alle geflohen, bis auf …«
    In der Tasche von Milos Morgenmantel klingelte das geheime Mobiltelefon, so laut, dass Adamek zusammenfuhr.
    Milo sprang auf und riss es heraus. Setzte sich wieder. »Papa?« Die Stirn runzelnd, hörte er zu. »Eine was?«
    Eine Journalistin hatte angerufen, aus Zagreb, und sich nach Thomas erkundigt.
    »Eine deutsche Journalistin«, sagte Milo.

38
    FREITAG, 15. OKTOBER 2010
    NORDDEUTSCHLAND
    Der

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