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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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gut. Wir leben ewig.«
    »Sie leben doch«, flüsterte Tschonkovits. »Das amerikanische Judentum lebt. Es hat sogar eine gewisse Macht.«
    »Nebbich, Tschonkovits. Aber zwei Dinge sinds, dafür kämpfen und sterben wir: den jüdischen Staat Israel. Und: Nie wieder Hitler. Nirgendwo. Ihre Leute haben den Naziwais gewählt. Sie haben Österreich zu einem Naziland gemacht.«
    »Das ist doch Unsinn, Maxmann. Das ist kompletter Blödsinn.«
    »Wissen Sie was? Es ist Blödsinn, und es ist wahr.«
    Tschonkovits setzte sich auf den Sessel vor Maxmanns Schreibtisch.
    »Warten Sie doch noch drei Monate. Versuchen wir gemeinsam, etwas zu finden, was auch juristisch rechtfertigt, dass ihr ihn auf die Watchlist setzt.«
    Maxmann schüttelte langsam den Kopf.
    »No«, sagte er heiser. »No, njet und nein. Lo.«
    Das Telefon läutete. Maxmann hob ab, lauschte, nickte und legte den Hörer auf.
    »Sie sind da. Habe ich Sie nicht eigentlich hinausgeschmissen?«
    »Das haben Sie.«
    Tschonkovits stand auf. »Mir tut der Herr Braunschweiger leid. Und auch David Lebensart. Und die anständigen Österreicher.«
    Maxmann erhob sich gleichfalls. Er ging um den Schreibtisch herum und begleitete Tschonkovits zur Tür.
    »Gewure und Kojach. Das wünsche ich Ihnen. Euch allen.« Er gab ihm die Hand.
    Tschonkovits fuhr mit dem Lift hinab. Als er auf die Straße trat und sich in den Passantenstrom einreihte, wusste er, dass er allein war. Immer schon.
    14.
    Dass Johann Wais nur zwei Kilometer vom Deportationsort hinter einem Hügel in Thessaloniki gewohnt hatte, ohne bemerkt haben zu können, was gleichsam unter seiner Nase passierte, schien auch seinen Unterstützern kaum glaubhaft. Sein außenpolitischer Berater Rudolf Jungnickel hatte eine dicke Mappe vor sich, in der sich zahlreiche Dokumente über die Deportation der jüdischen Bevölkerung Thessalonikis nach Auschwitz befanden. Er legte seinem Präsidenten eines nach dem anderen vor. Wais betrachtete jedes einzelne mit blassem Gesicht, murmelte immer wieder: »Schrecklich, furchtbar, grauenhaft« und legte es jeweils Kante auf Kante weg und zuhauf. Jungnickel, der sich innerlich anzuekeln begann, zog einen Plan von damals heraus, deutete mit dem Finger auf die kleine Villa, in welcher Leutnant Wais gewohnt hatte, fuhr auf dem Plan mit dem Daumen hinüber zum Baron-Hirsch-Viertel und zum Bahnhof. Novacek saß zur rechten Hand des Präsidenten, lugte ebenfalls auf den Plan und schluckte währenddessen immer wieder die aggressiv nach oben drängende Magensäure hinunter.
    »Ich habe es nicht bemerkt«, sagte Wais. »Was soll ich denn tun? Ich weiß auch nicht, wieso mir das nicht aufgefallen ist. Ich kann es mir lediglich mit meiner Dissertation erklären, mit Aglaja.«
    »Entschuldige«, sagte Jungnickel grob, »was hat deine damals Zukünftige damit zu tun?«
    »Rudolf«, fuhr ihn Novacek an, »eine Lebensliebe hat sich zu jener Zeit entsponnen.«
    Wais gab einen Laut von sich, der die Blicke seiner Mitarbeiter auf sein Gesicht zog. In den ohnedies leicht geröteten Augen standen Tränen. Wais musste sich wegdrehen, und er retirierte zum Fenster, sah durch den Schleier auf den Heldenplatz hinunter und bemühte sich um Fassung, vor allem versuchte er, seine Schultern am Zucken zu hindern.
    »Hans«, sagte Jungnickel laut in seinen Rücken, »du erklärst einfach, es sei damals so schrecklich und bedrückend gewesen, dass du die Vorfälle verdrängst hast. Nun sind sie dir wieder in Erinnerung gekommen. Du wärest schon damals entsetzt gewesen, wolltest mit der Sache nichts zu tun haben und hast dich ganz auf deine Dissertation konzentriert. Du hast auch Gespräche über die Deportationen bewusst vermieden, sofern diese Vorfälle im Stab Thema waren, und das müssen sie gewesen sein. War dein alter Schulkollege nicht damals mit dir, dieser –, wie hieß er?« 
    »Nekula. Ach, der war doch schon in Tirana. Ich bin erst später dort mit ihm zusammen gewesen.« Wais drehte sich zu den beiden um, ging zum Schreibtisch zurück, setzte sich, legte die Hände übereinander. »Ich kann doch nicht lügen.«
    »Um der Wahrheit willen musst du es tun«, sagte Jungnickel. »Ich sehe keine andere Möglichkeit.«
    »Nein, das tu ich nicht.«
    »Wie sollen wir dir dann helfen?«
    »Wer bei der Wahrheit bleibt, dem hilft Gott«, sagte Wais laut.
    Jungnickel stand auf. »Weißt du, was wir für dich tun können? Und für das Land? Vor allem für das Land?«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Wais und

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