Der Kalte
zuerst beide Kinder zurück, nahm plötzlich das Kleinere an sich und eilte damit fort. Die Mutter weinte hinter ihm her. Moll kam zum Fünferkrematorium, ging um es herum und schleuderte das Kind in großem Bogen ins Feuer.«
»Moll war furchtbar.«
»Haben Sie ihn gut gekannt, Rosinger?«
»Ganz gut. Er hat gesoffen wie ein Loch.«
Der eine benutzte einen blauen Kübel, den er danach mit einem Emaildeckel notdürftig verschloss und in die Waschküche hinauftrug, zu der er allein Zugang hatte. Der andere verwendete einen schwarzen Kübel, den er danach jeweils in seinen Keller trug. Der eine schiss seinen Kübel in der Josefstadt voll, der andere in Floridsdorf. Der eine tat es allein, beim anderen machte seine Frau mit. Es dauerte zwei Wochen, dann war der Kübel des anderen voll, nach drei weiteren Tagen meldete auch der eine den Vollzug. Sie hatten hin und her überlegt, wie sie die Fäkalien an die Orte bringen sollten, für welche sie bestimmt waren. Sollten sie beim ersten Ort vormittags kommen bei heftigem Parteienverkehr, aber offenem Haustor, frühmorgens, kurz nach sechs, wenn das Haustor bereits aufgesperrt war? Oder sollten sie des Nachts abwarten, dass jemand aus dem Haus herauskam, um an ihm vorbeizuschlüpfen? Sollten sie gar anklingeln und den Namen einer anderen Partei durch die Gegensprechanlage flüstern, in der Hoffnung, dass ihnen geöffnet werde? Der blaue Kübel war für den einen Ort. Beim anderen Ort war es leichter. Da kam man unangefochten bei Tag vor die Wohnungstür, ohne unbedingt wem zu begegnen, außer wenn man Pech hatte, dem Mieter selbst. Dorthin sollte der schwarze Kübel kommen.
Über einen dritten Menschen, der aber nicht eingeweiht wurde, ließen sie sich einen Mietwagen besorgen, einen weißen Kastenwagen, in dem sie die beiden Kübel transportieren wollten. Beide Aktionen mussten knapp hintereinander erfolgen, um die Wirkung sicherzustellen.
Sie wählten schließlich den dreizehnten März neunzehnsie
benundachtzig aus, einen Freitag. Sechs Uhr abends. Zuerst fuhren sie in die Böcklinstraße und leerten den schwarzen Kübel vor der Ateliertür aus. Einer wartete im Auto, indes der andere, weil sich nichts rührte, noch auf den Scheißhaufen pisste. Danach mussten sie bei der Schadekgasse einen Parkplatz suchen. Als der eine mit dem blauen Kübel vor dem Haustor stand, kam eine Frau heraus. Er grüßte freundlich und murmelte: »Ich muss zu Krieglachs.« Die Frau nickte und ging davon. Im vierten Stock lauschte er. Es war still im Haus. Er leerte den Kübel langsam und behutsam aus. Anschließend steckte er ihn in einen großen schwarzen Plastiksack, um ihn zu verbergen. Als er beim Haustor herauskam, sah er, dass der andere aus der Parklücke herausfuhr und vor ihm stehen blieb. Er lief um den Wagen herum, sprang hinein, und sie fuhren weg.
Durch die starke Geruchsentwicklung kamen kurze Zeit später einige Leute aus ihren Wohnungen und umstanden mit angewiderten Gesichtern den Eingang zu Krieglachs Wohnung. Eine Bewohnerin mit einem Taschentuch vor ihrem Gesicht verlangte nach der Hausmeisterin, die aber nicht daheim war, ein anderer bot an, die Polizei zu rufen. Mit dem Aufzug kam Emmy Krieglach, sie hatte sich schon, als sie ins Haus trat, gewundert, dass ein starkes Gesumms aus den oberen Stockwerken zu hören war. Als sie den Fäkalienhaufen vor ihrer Tür sah, holte sie Atem und brüllte:
»Scheiße! Das waren die Faschisten. Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
Trotz des heftigen Geruchs mussten die Herumstehenden lächeln, bevor sie ebenfalls empört die Köpfe zu schütteln begannen. Emmy beugte sich über den Haufen, sperrte auf, stieg vorsichtig über ihn drüber, verschwand in der Wohnung. Sie erschien nach zwei Minuten mit Schaufel und Kü
bel. Während sie einschaufelte, verschwand die Nachbarin in ihrer Wohnung. Andere hatten die Fenster zwischen den Stockwerken geöffnet. Am Ende kam die Hausmeisterin in höchster Aufregung von unten angerannt, hinter ihr zwei Polizisten. Sie begannen den Vorfall aufzunehmen. Herbert Krieglach wollte, nachdem er bei seinem Galeristen war, kurz daheim vorbeischauen, um sich eine Mappe abzuholen, die er im Atelier benötigte. Nachdem er aus dem Aufzug gestiegen war und den Sachverhalt erfasst hatte, lief sein Schädel rot an. Emmy erwartete einen Wutausbruch, doch Krieglach schwieg, atmete bloß laut. Als einer der Polizisten fragte, ob sie jemanden im Verdacht hätten und was denn das Motiv sei, beschied Krieglach
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