Der Kalte
zu, löschten das Licht, und Inge sah im Halbdunkel die schönen Gesichtszüge von Margit. Nachdem diese fest eingeschlafen war, deckte Inge sie auf und schob ihr langsam das Nachthemd hoch. Nicht die Augen schließen, dachte sie, denn dann ist sie verloren und ich mit ihr. Sie musste aber zwinkern, denn die Augen juckten und tränten, sie wachte auf, und Margit war wieder in der Donau versunken und fort.
Karl Fraul hatte die Probenarbeit fortgesetzt, er beschloss, sich beim Darstellen herauszuhalten, und agierte wie ein Zombie, radelte seinen Text herunter, brachte Vesely unabsichtlich dazu, eine gütige und alles verstehende, alles verzeihende Haltung einzunehmen, obwohl der Sohn unentwegt nichts verstand und nichts verzieh. Adel ließ beide in der Manier gewähren, probte intensiv jene Teile des Stücks, in denen Fraul und Vesely wenig zu tun hatten.
Astrid sah dieser Entwicklung mit zunehmender Unruhe zu, sie unterdrückte aber Kritik und spitze Bemerkungen und konzentrierte sich auf ihre Rolle. So kam es, dass nach einer Weile jeder von ihnen wie für sich allein dastand und ins Leere agierte.
Scherfele dachte erschrocken nach, wohin das den armen Adel wohl führen würde, doch je mehr er sich seiner dramaturgischen Aufgaben zu widmen versuchte, desto mehr entglitt ihm das Stück, sodass auch er den versammelten Einzelnen nur seine Einzelbeiträge aufnötigte.
Der Repertoirebetrieb, in welchem sie alle steckten, war wie ein Urlaub. Wenn die nächste Probe zum HEILSBRINGER angesetzt war, wurden alle außer Adel nervös und krampften sich ein.
Nach langen Prozeduren am Ben-Gurion-Flughafen wurde Stefan, mit knallrotem Koffer und Khakirucksack angetan, von Dolores Segal empfangen. Den Koffer ließ er fallen und umschlang sie, und sie zitterte. Neben ihr stand ein junger Mann, der sich Stefans Koffer griff und mit ihm davonzugehen begann.
»Das ist unser Chauffeur«, sagte sie zwischen den Küssen, und sie küsste weiter seinen nun angespannten Hals, während Stefan dem Mann mit seinem Koffer nachblickte. Etwas wirbelte in ihm durcheinander, er spürte eine Süße und eine Kühle in sich, ging mit Dolly unter dem hellblauen Himmel, der sich über dem Parkplatz des Flughafens aufgespannt hatte und eine beträchtliche Hitze herunterstrahlte. Auf dem Weg nach Jerusalem wisperte Dolly in seine Ohren. Sie hatten im Fond des Wagens Platz genommen. Sie hielten sich an den Händen, die anfangs patschnass waren, bis die Klimaanlage ihre Wirkung tat. Stefan war gar nicht dazu gekommen, sich umzublicken, die Palmen anzustaunen oder die Panzer, welche als Ausstellungsstücke seit den Unabhängigkeitskriegen auf den Hängen der Straße nach Jerusalem herumstanden.
»Das kannst du alles lesen?«, fragte er und deutete auf die grünen Schilder, die über die Autobahn gespannt und auf der Seite platziert waren.
»Und noch viel mehr«, sagte sie. »Iwrit ist cool.«
Als sie auf der Ussishkin Street waren, bog der Fahrer, für Stefan überraschend, plötzlich ab, blieb vor einem Garagentor stehen, das sich langsam öffnete. Sie fuhren in die Garage, stiegen aus, und Ernst Segal stand vor ihnen.
»Willkommen, Stefan«, sagte er und drückte fest und lange Stefans Hand. Der Chauffeur nahm zum Koffer auch den Rucksack, und eine Frau, offensichtlich ein Dienstmädchen, erschien in der Garage.
»Nurith zeigt dir dein Zimmer«, sagte Segal. Er ging hinter der Hausangestellten eine Stiege hinauf und zweimal um die Ecke. Der Chauffeur kam ihnen entgegen, drückte sich schweigend an Stefan vorbei. Nurith sagte etwas, von dem Stefan nicht wusste, ob es noch Englisch oder bereits Hebräisch war, sie zeigte auf eine Tür, öffnete sie und ließ ihn eintreten. Das Zimmer war geräumig, ein schmales Bett stand an der linken Wand, aber geradeaus sah er durch eine Glastür in einen Garten. Nurith ging, Dolores kam, sie machte die Tür zu.
»Jetzt habe ich dich endlich wieder«, sagte sie. »Das Bad ist hier.«
Stefan bemerkte die kleine Tür in der Wand. Das Bad war prächtig ausgestattet. In der Mitte war etwas, was Dolly Whirlpool nannte. Sie verließ ihn, machte ihn auf den neuen Anzug aufmerksam, der auf einem Anzugständer vorbereitet auf ihn wartete, ein leichtes Sommerding, dazu weißes Hemd, blasse Krawatte.
»Hoffentlich passt er.«
»Was soll ich bei der Hitze … ach so, Seder. Schon wieder Seder.«
»Unser erster in Israel«, sagte Dolly.
»Das wird fad. Kennen tu ich auch niemand.«
»Du wirst lachen. Du
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