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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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machte einen tiefen Schluck. Herbert sah ihr erstaunt zu.
    »Und du wirst den Brief nehmen und diese Zischka anrufen, dich mit ihr treffen, beratschlagen, wie ihn wo platzieren, sie hilft dir, etwas dazu zu formulieren. Dann musst du unbedingt mit ihr ins Bett.«
    »Ich brauch keinen zum Formulieren. Und überhaupt! Was geht das dich an? Seit wann redest du so daher?«
    »Es geschieht immer das, was ich eh schon voraussehe. Es ist alles so albern. Ich habe schlecht geschlafen.«
    »Die alte Emmy als Othella!« Krieglachs Laune verbesserte sich, er begann langsam zu grinsen.
    »Gehen wir halt nochmals hinein«, sagte er und drehte sich um, sie folgte ihm ins Schlafzimmer. Beim Stoßen war Emmy leidenschaftlich wie schon lange nicht mehr, sie kratzte, biss ihn in die Schulter, warf sich herum, sodass auch ihn ein heftiges Begehren ergriff und durchschüttelte.
    »Wer braucht denn eine Zischka«, brummte er ihr ins Ohr und dachte an Hildegard, die er seit einem guten Jahr vor Emmy geheim hielt und von der nicht einmal sein Freund Helfried Teiler etwas wusste. Bloß Purr und seine neue Frau waren eingeweiht, seit sie sich zufällig in einem Stundenhotel in der Leopoldstadt begegnet waren. Sie waren, ohne voneinander zu wissen, in benachbarten Zimmern tätig gewesen. Purr hatte auf die Frage, was der frisch vermählte Bürgermeister mit schöner großer Wohnung in einem Stundenhotel mit der eigenen Frau zu suchen habe, geantwortet, sie seien es von früher so gewohnt.
    Krieglach drehte sich auf den Rücken. Emmy verschwand im Bad, kam zurück, kuschelte sich an seine Seite.
    »Eigentlich ist der Brief von Lotte Mendelssohn schön.«
    »Es müssen nicht immer die Scheißhaufen vor der Tür sein.«
    »Von denen hat sie nichts geschrieben.«
    »Vielleicht weiß sie davon nichts.«
    »Von dem, was dir zustößt, weiß doch jeder«, sagte sie lachend. Herbert schob die Decke zur Seite, drehte Emmy so, dass sie auf dem Bauch lag, schlug ihr einige Mal fest auf den Hintern.
    »Die Scheiße kriege zwar ich, aber du putzt sie weg.«
    Emmy holte sich die Decke, wickelte sich ein und machte Anstalten einzuschlafen.
    »Mmh. Das habe ich immer noch so gern«, murmelte sie.
    Er blieb auf dem Rücken liegen, sah auf den Plafond. Plötzlich bemerkte er, wie sich darauf Figuren bildeten, die sich bewegten, ineinander übergingen, neue Figuren hervorbrachten. Emmy begann leise zu schnarchen. Krieglach schlummerte ein.
     
    Karl Fraul landete in Berlin-Tegel, nahm sich ein Taxi und fuhr zu einer kleinen Pension am Olivaer Platz. Von seinem Fenster konnte er auf den Beginn der Lietzenburger Straße sehen. Er überquerte diese dann, ging vor bis zur Pariser Straße, bog entschlossen in sie ein und marschierte über den Ludwigkirchplatz, nahm an der Uhlandstraße beim dortigen Italiener Platz, aß Spaghetti, schaute auf die Uhr. Es wollte nicht drei werden. Er hatte Lust, sich eine Flasche Rotwein zu bestellen und aufzubrauchen, stattdessen nippte er am Mineralwasser, trank schließlich einen Cappuccino.
    Am Vortag hatte er mit Zoltán Nemecsek telefonieren wollen, bekam aber bloß seine Frau Florence an den Apparat. Er kündigte ihr an, dass er nach Berlin kommen werde, um Nemecsek zu sprechen, egal, ob der dafür Zeit hätte oder nicht. Florence war im Begriff, den jungen Mann abzuweisen, denn sie wies viele Menschen ab, die sich zu ih
rem Mann hindrängten, und der da am Telefon klang noch dazu betrunken. Aber sie hielt inne, denn die Entschlossenheit imponierte ihr irgendwie doch und auch, dass er immerhin Schauspieler am Burgtheater war und im HEILSBRINGER den Sohn spielte.
    »Um drei ließe es sich einrichten. Aber kurz«, sagte sie. »Läuten Sie bei ZEN .«
    Er sah zwei Frauen entgegen, die soeben hereingekommen waren und sich an den Tisch ihm gegenüber hinsetzten. Beide waren sehr hübsch. Zwillinge. Fraul konzentrierte sich auf eine der beiden, die mit dem blauen Kleid und nicht die mit der roten Bluse und Jeans. Immer wieder sah er hin, bis sich die Zwillinge behelligt fühlten. Die in den Jeans stand auf, kam her zu Fraul: »Du hörst jetzt auf, uns anzustarren.«
    »Dich schaue ich gar nicht an«, sagte Karl, »wie heißt deine Schwester?«
    Sie drehte sich um, ging zurück, beide erhoben sich, der Kellner kam dazu, sie zahlten, die Schwester im Kleid sah kurz und lächelnd zu ihm her. Als sie schon beim Ausgang waren, wandte sie sich ihm zu und rief durchs Lokal: »Claudia. Arschloch.« Sie zeigte ihm lachend den Mittelfinger

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