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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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Elvis Presley und immer wieder Strange Love . Er schrieb an Dolores den ersten Postjerusalemliebesbrief, worin er ihr schlechterdings mitteilte, sein Leben hätte ohne sie keine Farben. Nur Elvis, Depeche Mode oder die Lieder aus der Winterreise von Franz Schubert freuten ihn. Die Klassenkollegen seien alle jenseits und daneben, auch Tschurtschi sehe er außerhalb der Schule kaum. Er habe niemandem von Israel erzählt. Sie solle im Sommer schleunigst nach Wien kommen. Mit der Helen wäre es eh längst zu Ende, auch wenn sie ihm das in Israel offensichtlich nicht wirklich geglaubt habe. Ob sie ihm weiterhin treu bleibe? Dass sie erst ein Jahr später maturieren könne als er, finde er extrem blöd. Er schickte den Brief ab. Seine Mutter kam in die Hardtgasse, brachte ihm Wäsche. Er machte ihr einen Kaffee, stellte sich dann vor sie hin und sang ihr das Wirtshaus aus der Winterreise vor.
    »Du solltest etwas mit deiner Stimme machen«, sagte sie sofort. »Das ist ein Gottesgeschenk.«
    »Jaja«, sagte er.
    Er begann sich vorzustellen, er sei im Musikverein, im Brahmssaal, er hätte Jeans an und das blaue Hemd mit den weißen Seitenstreifen, am Klavier säße der berühmte Gegenbauer, in der ersten Reihe Dolly, dahinter seine Mutter mit ihrer Opernbrosche an der schwarzen Bluse, weiter hinten Tschurtschentaler, und daneben ließ er Helen sitzen. Im Wohnzimmer postierte er sich so, dass er zwar gegen den Spiegel sang, aber der war bei halbgeschlossenen Augen zum Guckfenster geworden und gab den Blick in
den Brahmssaal frei. Das Wirtshaus sang er in einigen Varianten, schließlich nahm er es mit seinem Tonband auf, doch beim Abspielen klang es beschissen.
    Er traf Guido Messerschmidt im Café Museum. Guido berichtete ihm vom Chorleiter Schurin und dass er, Stefan, ihn einfach anrufen möge, um einen Termin zum Vorsingen auszumachen. Der entgegnete stockend, er hätte doch noch die Matura und müsste sich in den letzten drei Wochen darauf konzentrieren.
    »Also erst im Juni«, sagte Guido.
    »Ich weiß nicht. Hast du mich gefragt, ob ich im Chor singen mag?«
    »Ich habe dich gefragt.«
    »Und was habe ich gesagt?«
    »Weiß nicht, hast du gesagt. In Reichenau klangs wie ein Ja.«
    »Warum willst du mich eigentlich in diesen Singverein bringen?«
    »Ich tät gern mit dir singen.«
    »Aber warum?«
    Messerschmidt schwieg. Er hatte diese Frage längst erwartet und auch einige Antworten parat. Doch er konnte sich für keine davon entscheiden.
    »Wegen meiner Schwester?«
    »Durch Margit kenne ich dich doch erst. Aber, wie soll ich es dir erklären …«
    »Und weil sie nicht mehr ist, muss jetzt ich herhalten?«
    »Möglich.«
    »Und was hat das mit mir zu tun? Scheiße.«
    Stefan war zusammengefahren, denn Karl Fraul kam bei der Tür herein, sah die beiden, zögerte und kam hernach zum Tisch. Er verneigte sich leicht, gab dann Guido die Hand.
    »Ich will nicht stören, wie gehts?«
    »Wieso interessiert dich das?«, antwortete Stefan.
    »So halt. Also. Ciao.«
    Karl suchte sich einen Tisch, setzte sich, holte sich eine Zeitung. Nach einigen Minuten stand er auf, ohne etwas konsumiert zu haben, kam nochmals an den Tisch zurück, an dem Guido Stefan dabei zusah, wie der nichts sagte, sondern die Tischplatte betrachtete.
    »Doktor Messerschmidt, ich habe heute Abend Vorstellung vom Professor Bernhardi. Wollen Sie hinein?«
    Guido verneinte. Karl zögerte:
    »Und du?«
    Stefan streckte den Arm aus.
    »Gib her.«
    »Bei mir habe ich die Karten nicht. Zwo an der Abendkassa auf Keyntz?«
    »Danke. Ich komme mit meiner Schwester.«
    Karl lächelte traurig und gab ihm die Hand. Stefan nahm sie. Als Karl draußen war, räusperte sich Guido und sah sich nach dem Ober um.
    »Gibst du mir die Nummer von deinem Chorleiter?«, fragte Stefan. Messerschmidt nahm eine Serviette und schrieb die Nummer darauf.
     
    Auf die Dauer ließ sich die zombieartige Machart von Karl Fraul bei den Proben nicht durchhalten. Vesely brauste auf, als Karl die Textstelle Fliehen und am dortigen Ort sammeln sich, die durchgekommen sind im Ton eines trotzigen Kindes hersagte und gegen die Abmachung sich wegdrehte.
    »Kinderl, das geht so nicht weiter.«
    »Unterbrich die Probe nicht, Moritz«, rief Adel herauf.
    »Ich kann mir das nicht mehr antun, Peter. Schluss mit Genuss.« Vesely stapfte, während sein Kopf bei jedem Schritt
röter wurde und anzuschwellen schien, an Fraul und der von Gehlen vorbei, verschwand, und als Scherfele ihn nach einem Abkühlmoment

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