Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
Vom Netzwerk:
sie ohne Nebengeräusche aus der Lunge und in die Lunge fuhren. Gesund bin ich noch. Aber ich wäre lieber ein bissl krank, wenn diese Kampain gegen mich endlich zu Ende ginge oder – noch besser – einfach aufhörte. Beran hatte es immerhin geschafft, mir die Reise zum Ara
bischen Golf zu ermöglichen. Aber es ist halt nicht schön, wenn bloß die Araber und der Vatikan mich als Staatsoberhaupt einladen mögen. So eine Feigheit ist in der Welt, alle fürchten sich vor den Leuten um diesen Maxmann. Was habe ich dem getan? Wie kann ein Getränkehersteller auf die Idee kommen, mich zu seinem Todfeind zu erklären? Ich hatte doch nie etwas gegen Juden gehabt, jetzt aber beschleicht mich ein genereller Argwohn gegen manche von ihnen, da muss ich aber auch achtgeben, dass mir dieser berechtigte Groll nicht laut wird. Auch Aglaja muss ich beschwichtigen; sie zieht privatim gegen die Ostküste vom Leder. Ich sage ihr eh immer, hüte dich vor den Ansichten deines Vaters, hüte deine Zunge. Es ist eigenartig, dass ich in dieser Frage auf meine Aglaja einreden muss, sonst kann ich mich auf ihre Ratschläge so gut verlassen, aber beim Maxmann, wenn sie an den denkt, geht ihr das Geimpfte auf.
    Ich versteh noch immer nicht, warum sich trotz meiner zahlreichen Erklärungen die Kampain verstärkt. Jetzt sekkieren sie mich wegen der Kämpfe im Kozaragebiet. Ich kann mich doch nicht an alles dauernd erinnern. Törichterweise habe ich gesagt, dass ich nicht dort war. Novacek hat nun herausgefunden, dass ich sehr wohl da war, als die Säuberungen begannen. Na und? Ich war nicht in sie involviert, sonst hätte ich mich doch daran erinnert. Ich bin immer heilfroh gewesen, dass ich nicht direkt mit Verhören zu tun hatte, auch wenn ich die Ergebnisse weiterleiten musste. Na ja, einige Mal musste ich zugegen sein, vor allem bei den Susičleuten, der gefährlichsten Bande. Natürlich, fein ists nicht zugegangen, es war Krieg, und die Partisanen waren bei Gott nicht zimperlich. Jeder, der sie bekämpfte, musste eine gewisse Härte an den Tag legen. Ich hatte sie damals auch als Feinde angesehen, denn das
waren sie, und wir waren ihre Feinde, basta. Herrgott noch mal, ein Weichei war ich doch nie, aber an den Vergeltungsmaßnahmen hab ich mich nicht beteiligen brauchen, das haben andere mit Lust und Liebe getan, auch gute Freunde von mir, denen jetzt keiner einen Vorwurf macht. Mein General Löhr allerdings bezahlte das mit dem Leben, den haben sie nachher um seinen Kopf kürzer gemacht, nein, erschossen haben sie ihn. In was denke ich mich da hinein?
    Johann Wais drehte sich um, ging zum Schreibtisch und schaute auf das Telefon.
    Hauptmann Plume war verantwortlich für die Organisation des Gefangenenabschubs bei den Kozara-Aktionen. Ich habe ihm helfen müssen, er war mein Vorgesetzter, aber ich habe doch effektiv nur Papiere unterzeichnet. Ich habe doch kaum eines dieser Individuen zu Gesicht bekommen, oder? Und wenn ich ein paar gesehen hab? Flugs, die sind ja alle gleich weg nach Semlin verquartiert worden, es waren quasi Kriegsgefangene. Zivilisten sind bei den Partisanen immer dabei, die ganzen Partisanen sind auch Zivilisten, diesen Vorwurf, wir hätten Zivilisten … Ahnungslos sind die Leut, aber mich ständig angeifern. Ach, Aglaja, du wolltest doch anrufen.
    Wais räusperte sich. Gleichzeitig mit dem Eintritt von Novacek läutete das Telefon.
     
    Messerschmidt strebte energisch dem Haupteingang des Musikvereins zu, zwei Schritte hinter ihm Stefan. Immer wieder drehte sich Guido um und winkte ihn zu sich. Sie eilten durch den Eingang und begaben sich ins Innere. Es ging Stufen hinauf und hinab und links und durch die Mitte durch, Guido entschlossen immer voran. Männer und Frauen gesellten sich ihnen zu, hatten Noten unterm Arm
oder in der Hand, kamen von links und von rechts, sie wurden immer mehr und landeten in einem Raum, der Kammersaal hieß. Mitten drin stand neben dem Klavier ein großer Mann, seine Haare waren in einem Rossschwanz zusammengehalten. Er sah mit seinen dunkelblauen Augen Messerschmidt entgegen, betrachtete Stefan und streckte beiden die Hand hin.
    »Das also ist er«, sagte er mit lauter Stimme. »Alexander Schurin. Ich bin hier der Wichtigtuer.«
    »Keyntz«, sagte Stefan. »Ich will nur zuhören.«
    »Ich weiß. Guido hat mir von Ihnen erzählt. Ihr Vater hat übrigens einige Mal mit dem Singverein gearbeitet. Mahler-Achte-Karajan, mir unvergessen. Servus, Hannelore. Servus, Manfred.« Der Raum füllte

Weitere Kostenlose Bücher