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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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fielen, schräg und schräger. Ein Sturm schien aufzukommen. Fraul wanderte unverdrossen weiter, achtete nicht auf den wechselnden Himmel und das flackernde Licht, welches Fels und Buschwerk koboldisierte. Rechts neben Fraul ging sein alter Turnlehrer und zählte ihm mit lauter werdender Stimme seine Schritte vor.
    »Zweidreizack und trittsicher bleiben, zweidreivier und in den Knien federn.«
    »Professor Wolfsgang«, entfuhr es Fraul, aber links von ihm stapfte Brauneis.
    »Achte nicht auf den Scheißnazi, Edi. Wir sind auf der Rax. Weiter zum Grieskogel und hinein in die neue Zeit.«
    Robert Heller griff Fraul von hinten in den Rucksack, holte Flußkrebse heraus, wollte sie wegwerfen, doch einer verfing sich im plötzlich hervorsprießenden Bart von Bobby.
    »Weg mit dem Unrat«, rief Heller. »Nach Spanien gehts bloß mit leichtem Gepäck.«
    Fraul kämpfte mit seinem Atem. Stehenbleibend, blickte er hoch. Die Landschaft war verschwunden. Wolken fetzten über seinem Kopf hin, es sauste, und die Echos des beginnenden Schneesturms brachen sich an den Felsnasen und Spalten, ein Gegröle setzte ein. Fraul band sich die Kapuze des Anoraks fest, sodass sie grad noch die Augen freiließ, auf deren Brauen sich mehr und mehr Schnee anstaute. Immer wieder musste er mit dem Fäustling die Lider vom Gegraupel befreien. Es sah aus, als sei Nebel eingefallen, denn wohin Fraul auch blickte, ihn umgab bloß Grau mit eingesprenkelten schwarzen Flecken. Er drehte sich mehrmals um und ging aufs Geratewohl zurück, falls es überhaupt ein Rückweg war.
    Das rote Gesicht des Anton Egger, entblößt von dessen sich auffaltender Kapuze, war zentimeternahe an ihn herangerückt, ein Geruch von faulenden Zähnen fuhr ihm in die Nase.
    »Hilfe«, rief Fraul und lauschte seinem Ruf und dessen Echos nach. Er warf die Stöcke weg, nahm den Rucksack vom Rücken, öffnete ihn und suchte nach seinem Kompass. Als er ihn ertastete, war der Rucksack bereits voll Schnee. Er zog das Instrument heraus, versuchte mit den Händen den Schnee aus dem Sack zu hieven. Einen Moment erwog er, alles herauszukippen, schließlich jankerte er den Rucksack auf den Rücken, wischte den Kompass frei. So stand er da, die Füße bereits knöcheltief im Schnee.
    Dort musste es sein, dachte er und starrte ins Nichts hinein. Er ging los, vergaß die Stöcke, und Wolfsgang kommandierte wiederum. Fraul stolperte, sah zu Boden und entdeckte einen leblosen Körper in einem roten Anorak. Er bückte sich, wischte das Gesicht frei und erkannte Rosa, die mit einem eigensinnigen Zug um das Kinn erfroren
war. Das mochte er nicht so recht glauben. Er sprach sie an, doch da sie nicht antwortete, zuckte er die Achseln, ließ sie, wo sie war, und stapfte weiter.
    Nachdem er eine Weile dahinmarschiert war, überkam ihn eine nicht gelinde Müdigkeit. Er suchte sich etwas zum Hinsetzen, fand einen mugeligen Felsen mit festgefrorener Eismütze. Es wird mir ganz wohl, dachte er.
    »Ferdl?«, murmelte Fraul, als ein Mann ihn an der Schulter wach stupste.
    »Stehen Sie auf, kommen Sie.« Fraul nickte, erhob sich und schnaufte. Ein zweiter Mann trat auf die andere Seite, und beide schoben ihre Arme unter seine Achseln.
    »In den Bunker?«
    »Wir bringen Sie zur Seehütte. Uns wurde gottlob vom Wirt gemeldet, dass Sie zum Habsburghaus aufgebrochen waren.«
    Fraul sah den Männern auf die Anoraks, an denen die Insignien der Bergrettung aufgenäht waren. Jäh konnte er ihre Walkie-Talkies hören.
    Als sie die Seehütte erreichten, brach der Schneesturm zusammen. In Minuten klarte es auf, und der milde März lagerte wieder auf dem Plateau und um die Hütte. Fraul trank heißen Tee. Mit eigener Kraft, aber begleitet von den Rettungsleuten, gelangte er wieder zur Seilbahn und fuhr nach Hirschwang hinunter.
     
    »Wie wars?«, fragte Rosa, als sie in der Hollandstraße vor dem Schlafengehen noch im Wohnzimmer saßen und Suppe aßen.
    »Wie immer.«
    »Karel will mit dir sprechen.«
    »Jetzt?«
    »Neinnein. Irgendwann.«
    »Geht in Ordnung. Ich bin ein bisschen müde.« Er erhob sich.
    »Ich sehe es. Schlaf gut.«
    »Und du?«
    »Ich lese noch ein wenig.«
    »Lass sehen.«
    Rosa zeigte ihm das Buch. Es war von Zoltán Nemecsek und hieß VATER ÜBERQUERT DIE STRASSE . Erzählungen.
    »Gute Nacht.« Zur Überraschung beider beugte sich Edmund zu Rosa hinunter und küsste sie auf die Schläfe.
    31.
    Johann Wais stand wie so oft bewegungslos am Fenster der Präsidentschaftskanzlei. Adrian Novacek saß

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