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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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fuhren aus ihren Mündern, es begann zu graupeln. Sie beschlossen einzukehren und setzten sich im hinteren Raum neben den Ofen. Fraul bestellte für beide Tee mit Rum.
    »Die Häftlingspfleger waren deshalb auch ohne Mut, denn es war kein Auskennen. An einem Tag war Unmögliches möglich, am nächsten wars umgekehrt. Wissen Sie noch, was Oswald Kaduk in Frankfurt empört dem Publikum gesagt hatte?« Fraul ahmte die bellende Stimme des Rapportführers nach:
    »Im Krankenbau, da waren Häftlinge, die bekamen nach
einer Operation zwei Wochen Diät. Nach sechs Wochen sind diese Häftlinge dann ins Gas geschickt worden. Jetzt frage ich mich als Laie, was soll das?«
    »Der Ossi«, murmelte Rosinger. »Eine Bestie wie Moll.«
    Am Heimweg hatte sich der Sturm gelegt. Es schneite dicke Flocken. Sie gingen die Hauptallee auf dem linken Reiterweg.
    »Übrigens«, sagte Fraul, »Sie wissen vom Sonderkommando.«
    »Damals nichts Genaues. Man hat rumgequatscht. Ich hab den Moll gekannt, aber was er zu tun gehabt hatte, wusste ich nicht.«
    »Es waren die Unglücklichen, die anschließend in die Gaskammern mussten und sie leeren, sauber machen, den Menschen die Zähne ausbrechen und so weiter. Sie waren abgesondert von uns, bekamen besseres Essen und Schnaps.«
    »Und wurden nach ein paar Wochen selbst liquidiert«, sagte Rosinger. »Inzwischen weiß ich das.«
    »Ein Transport griechischer Juden aus Korfu sollte Mitte Juli neunzehnvierundvierzig im Sonderkommando schuften. Die haben sich alle geweigert.«
    »Sind gleich …?«
    »Sofort.«
    Eine Frau auf einem Pferd kam an ihnen vorüber.
    »Die reitet auch im Winter«, sagte Rosinger.
    »In Auschwitz blieb Heldentum zu oft unerkannt«, sagte Fraul.

30.
    Wissenschaftsminister Gall empfing den Herausgeber der Stunde Django Scheinotter im Ministerium: »Ich bin in Eile, daher gleich in medias res. Das Mahnmal wird auf dem Albertinaplatz nun doch nicht zu verhindern sein.«
    »Wissen Sie, Herr Minister«, sagte Scheinotter, »mit juridischen Spitzfindigkeiten kommen wir nicht weiter. Als das Projekt der Tiefgarage noch aktuell war, sprachen Sie von Denkmalbauproblemen wegen der Fundamente, die durch die Garage belastet wären, während Krieglach gegen die Tiefgarage einwandte, es sei pietätvoller, den über dreihundert Bombentoten des Philipphofs im Nachhinein je einen Parkplatz zuzuweisen. Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite.«
    »Entschuldigen Sie, Herr Scheinotter, ich war ja nie für die Parkgarage. Ich habe lediglich betont, dass im Tauschvertrag zwischen der Gemeinde Wien und der Republik Österreich festgehalten war, dass der Albertinaplatz unverbaut bleiben muss, unabhängig davon, ob man unterirdisch eine Garage errichtet.«
    »Und dann wurde palavert, dass Zeitungskioske als unverbaut, ein Denkmal aber als Verbauung zu werten wäre. Spitzfindigkeiten sind das, Herr Minister. Uns geht es doch darum, dass mit dem Bauwerk des Waisbeschimpfers Krieglach die linke Jagdgesellschaft einen weiteren Triumph feiern könnte.«
    »Das mag sein«, sagte Gall verdrossen, »aber im Bedenkjahr können wir und sollen wir nicht die Errichtung eines Mahnmals gegen Krieg und Faschismus hintertreiben. Mein Vater wurde von den Nazis ermordet.«
    »Es geht nicht um die Verhinderung eines Mahnmalbaus generell, Herr Minister. Aber es sollte eben nicht vom Sta
linisten Krieglach erdacht und durchgeführt werden. Und nicht am Albertinaplatz, erstens aus Pietätsgründen und zwotens, weil es bloß dem Prestige der linken Reichshälfte dient.«
    »Also zwotens wäre mir egal, Herr Scheinotter.« Scheinotter verzog das Gesicht.
    »Ich plane eine neue Kampagne gegen Krieglach. Zugleich wollen wir uns auch für Sie verwenden und alle Rücktrittsaufforderungen zurückweisen. Kann ich auf Ihre wohlwollende Duldung zählen?«
    Der Minister nickte, sah auf die Uhr.
     
    Einige Tage später eröffnete Moldaschl in der Stunde die Offensive gegen Krieglach:
    »Da will uns der Holzpferdkavallerist Herbert Krieglach mit seinem Antifaschistendenkmal hinter der Oper eine Freude machen. Jauchzen und tanzen sollten wir, dass sich ein rabiater Kommunist so sehr gegen den verblichenen Faschismus einsetzt, dankbar sollten wir ihm darüber hinaus sein, dass er noch nicht den Wunsch geäußert hat, am Heldenplatz ein Stalindenkmal zu errichten, denn Stalin war in seinen Augen ein Friedensfreund und der effektivste Bekämpfer des Hitlerismus. Früher wusste die österreichische Bevölkerung noch rein gar nichts

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