Der Kalte
dann verdoppelt,
wär armselig und leer und hielt nicht stand
der Ehre, die Majestät zukommen lässt
unserem Haus …«
Hier unterbrach Schönn, ging auf die Bühne, es wurde leise verhandelt, dann gings weiter. Fraul neben mir blieb ganz still, aber ich hatte den Eindruck, er wartete auf die nächste Szene mit Dauendin als Macbeth, wenn der mit seinem Wenns abgetan wär damit, dass ichs tu seinen furiosen Monolog begänne.
Nach dieser Szene gabs die erste Pause, ich unterhielt mich
mit Rüdiger, der wie immer seine Bestlaune an jedem ausließ, der grad in der Nähe war. Astrid von Gehlen, Felix Dauendin und Karl Fraul standen als Gruppe beiseite, und ich gewahrte aus den Augenwinkeln, dass jeder von den dreien wie in einem gläsernen Zylinder sich befand und durch ihn auf die anderen guckte, redete und zuhörte. Bei Dauendin nahm ich einen gequälten Ausdruck wahr, Astrid sah abwechselnd den einen und dann den anderen an, aber womöglich bildete ich mir das alles nur ein.
In der Szene, die sie dann probten, geschah Ungewöhnliches: Dauendin hatte seinen Monolog beendet, einmal wiederholt, nun spielte er die Szene weiter mit Astrid. Er sagte noch den Satz: » Sei bitte still. Ich wage, was ein Mann nur wagen kann. Wer mehr wagt, ist kein Mann .« Dabei warf er den Kopf nach hinten, um trotzig der Erwiderung seiner unerbittlichen Gattin standzuhalten, rutschte aus, schlug nicht nur hin, sondern rollte über den Rand der Bühne hinunter. Während er hinfiel, lächelte Astrid noch, doch angesichts des weiteren Sturzverlaufs erstarrte sie, beugte sich dann vor und sprang wie eine Tigerin von der Bühnenrampe herunter und kniete sich zu Felix. Dauendin begann zu fluchen, das Fluchen ging in ein Stöhnen über, das Stöhnen in ein Schreien und Weinen. Er hatte sich, wie sich später herausstellte, den rechten Oberschenkelhals gebrochen, die Schulter ausgekegelt, zwei Rippen angeknackst und den Ringfinger doppelt gebrochen. Er wurde ins Böhler Unfallkrankenhaus gebracht, und ich schaute mit meinem großen exklusiven Interview durch die Finger.
Montag darauf verkündete Schönn in einer Pressekonferenz, dass Dauendin schwer verletzt, aber nicht in Lebensgefahr sei, er aber ohne ihn den Macbeth nicht aufführen könne, nicht aufführen wolle und die Produktion daher auf den Herbst neunzehnsechsundachtzig verschoben werde.
Ich musste sämtliche Vorberichte und Recherchen irgendwohin tun. Apolloner, der von Meran eben zurückgekommen war, rief mich in der Redaktion an, um mir nicht mitzuteilen, dass ihm was leid täte. Ich verabredete mich mit ihm für denselben Abend.
34.
Allmählich begann sich das Oswald & Kalb zu füllen. Tschonkovits breitete vor dem Maler das Panorama der politischen Entwicklung Österreichs in den letzten zehn Jahren aus. Während er erzählte und trank, setzten sich diverse Gäste an den Stammtisch, aßen, hörten schweigend zu und gingen wieder. Nach einigen Stunden schien Tschonkovits etwas aufzufallen, er unterbrach seine Ausführung, legte seine Hand auf den Unterarm des Malers.
»Tobias, wie gehts denn eigentlich dir? Wie wars da unten auf den Philippinen? Wieso kehrst du jetzt zurück?«
Tobias Malach lächelte über sein großes, quadratisches Gesicht, als er das Interesse an seiner Zeit da unten bei Johannes entdeckte. Er sprach einige Minuten mit Wärme von seiner Arbeit in der Nähe von Manila, den Menschen, die ihm in ihrer großen Freundlichkeit und Natürlichkeit viel bedeuteten. Ein angetrunkener Mann in einem eleganten dunklen Anzug näherte sich dem Stammtisch, hörte, an der Kante stehend, eine Weile zu, fasste sich abrupt mit beiden Händen an eine Stelle oberhalb seiner Knie, zwickte den Stoff seiner Hose zwischen Daumen und Zeigefinger, schob ihn hoch und ließ sich nicht ohne Geräusch auf einen der freien Sessel nieder. Er saß den beiden ins wechselseitige Reden Vertieften gegenüber, bestellte sich einen doppelten Calvados und nickte ihnen zu.
»Ist eh frei«, fragte er im Nachhinein. Malach, der für seine Höflichkeit bekannt und geschätzt war, neigte sachte seinen Schädel, holte Atem, um in seiner philippinischen Erzählung fortzufahren. Tschonkovits, welcher in Wahrheit ganz ohne Interesse an dem exotischen Zeug war, redete sogleich in den Atem des Malers hinein, akzentuierte nunmehr seinen aktuellen Kummer über die Unangreifbarkeit des schwarzen Präsidentschaftskandidaten. Der elegante Herr gegenüber schien mit einem Mal vom Alkohol niedergedrückt, er
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