Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
Vom Netzwerk:
Hitlers. Daran hat in Österreich das Jahr achtundsechzig nichts geändert. Darüber hinaus hätten wir mit dem Sonnenkönig als Edel- und Alibijuden für sämtliche Antisemiten, alten und jungen, einen Kanzler erlebt, der mithilfe seines Justizministers die ganzen Nazigeschichten unter der Tuchent gehalten hat.
    »Für den«, sagte Katz, »waren die Nazis passé. Doch die Austrofaschisten waren noch da, und wie, und also geschichtsmächtig. Ihnen galt sein Kampf. Da hält der Schönn dagegen. Das ist ein Altachtundsechziger von deutschem Schrot und Korn. Ein gründlicher Mensch. Ob er ein großer Künstler ist?« Katz wiegte seinen Kopf. »Das kann ich nicht entscheiden, ich bin nur ein kleiner Banker. Aber für die Josefstädter Bandelkramer, für das typische spießige Theaterpublikum ist er schon eine Zumutung. Ganz gut.«
    Inzwischen hatte ich einigen Wein getrunken, und ich erwog, während er sprach und gestikulierte, ob ich mich nachher von ihm zu sich mitnehmen lassen wollte, aber nicht zum Kuscheln wie unlängst. Als es zum Zahlen kam, hatte ich keine Lust mehr und fands blöderweise auch unfair gegen Apolloner. Katz zuckte die Achseln, und ich ging heim. Ich schlief rasch ein und träumte von einem Kerl, der sah aus wie Luis Trenker.
     
    Ich erschien rechtzeitig vor Probenbeginn auf dem Lusterboden, vereinbarte mit Dietger Schönn das Gespräch in der zweiten Pause, setzte mich an die Ecke hinten. Sie begannen mit eins sechs. Bonker erschien gemächlich, sah mich, hob seinen Arm und deutete mehr auf mich hin, als dass er
grüßte. Rüdiger Scherfele redete von unten zu ihm hinauf, doch Bonker begann mitten in den Redeschwall hinein mit dem Satz: »Dies Schloss liegt wunderbar, leicht weht die Luft und öffnet unsern Sinn für Freundlichkeit.« Dabei heftete er seinen Blick auf Scherfele, der prompt schwieg, indes Schönn neben ihm lachte und Bonker zurief:
    »Monolog des Königs?« Bonker drehte sich um und sah, dass er allein dastand.
    »Donnerwetter, wo ist denn nun der Gruber?« Nach dieser Frage ward es still, sodass wir alle hinter der Bühne einen heftigen Stimmenwechsel vernahmen. Anscheinend standen sich in den Kulissen Bastian Gruber und Astrid von Gehlen gegenseitig auf den Zehen, jedenfalls schrie sie auf ihn ein, und er brummte zurück. Scherfele eilte hinauf, lief an King Duncan vorüber, erschien wieder, und hinter ihm betrat Gruber als Banquo die Probebühne. Er stellte sich halb hinter Bonker, denn der mochte es nicht, wenn bei seinem Auftritt irgendwer neben ihm stand. Er wiederholte seinen Freundlichkeitssatz, und die Probe nahm ihren Lauf. Als eben Astrid von Gehlen aufzutreten begann, denn sie war, wie Schönn hinaufrief, zu früh hervorgekommen, schlüpfte Karl Fraul herein, ein breites Lachen im Gesicht. Die zwei sahen sich sofort, und der Raum begann zu schrumpeln und leicht zu knistern, so kam es mir vor.
    »Rück rein«, sagte Fraul zu mir, scheuchte mich vom Eckplatz und glitt in den Stuhl. Nachdem er der am Rand der Bühne stehenden Astrid ausführlich zugeblinkt hatte, grüßte er mit der rechten Hand Richtung Regie und senkte hernach den Kopf.
    Schönn sagte zum Banquo und stand dabei auf:
    »Also Gruber, so tragisch ist der Satz wohl nicht. Leichthin, bitte leichthin. Nochmals ab die Schwalbe  …«
    Astrid von Gehlen verschwand, und Gruber näselte seinen
Part, um bei den Worten » Wo Schwalben leben, lebt der Friede auch « zu flüstern. Hernach im Ton eines Sportreporters endete er: » … hab ich bemerkt .« Bonker hob angewidert ob dieser Performance die Augenbrauen, richtete hernach sein rotes Gesicht huldvoll der Lady Macbeth entgegen, die nun im rechten Augenblick erschienen war.
    » Seht, seht, die Hausherrin.
    Oft wird uns Liebe, die uns folgt, zuviel,
    doch sind wir dankbar, weils aus Liebe ist.
    In diesem Sinn sei Gott gedankt für Eure Mühn,
    die ihr euch für uns macht. «
    Ich konnte mir nicht helfen, es war einfach überwältigend, wie Bonker diese einfachen Sätze sprach, als wäre er naiv und gutgläubig, wie es sein sollte, und doch schwang in seiner Stimme ein Ton mit, der vom erbbedingten Argwohn britischer Könige zeugte. Die Gehlen schien das ebenso aufgefasst zu haben, denn sie reagierte sogleich, ihr Antlitz, das eben noch Reste des Streits mit Gruber gezeigt hatte, verwandelte sich in die pure Liebenswürdigkeit, und so sprach sie ohne Ironie und ohne Unterstimme klar die Sätze:
    » All unsre Dienstbarkeit, zweimal getan
    mit jeder Kleinigkeit und

Weitere Kostenlose Bücher