Der Kalte
Unterleib mit einem entschlossenen Doppelhandgriff. Mit beiden Händen zog er ihr den Rock hoch, und im selben Rhythmus riss er ihr die Hosen vom Hinterteil und drang ein. Er biss sie
weitere Male in den Nacken. Emmy wurde plötzlich steif in den Beinen, sie hob ihren Hintern und wuchtete ihn dem stoßenden Krieglach in den Bauch, sodass dieser herausrutschte aus ihr. Sie lachte laut, und er lachte ebenso. Sie lagen nebeneinander und schnauften sich ins Gesicht. Schließlich verstummten sie und blieben halb auf dem Bett, halb am Fußboden, rappelten sich zusammen und lagen nun auf der Liegestatt nebeneinander.
»Die Käfer sind Juden«, sagte Emmy.
»Ja, die Juden sind Juden.«
»Hör zu, Herbert«, sie richtete sich auf, »auf der vorletzten Skizze –«
»Das ist es, Schweinderl, das ist er, der gehsteigreibende Jude. Das ist der Herr Tennenbaum, sonst ein netter Mensch, wie der Herr Karl sich auszudrücken beliebte.«
»Und wo soll der hin?«
»Ich stell mir vor, direkt hinter dem Gewalttor. Man zwängt sich durch und kann dem Herrn Tennenbaum auf den Kopf steigen.«
Emmy betrachtete ihren Mann, der diese Sätze aus seinem starken Unterkiefer wie nichts entließ.
»Die israelitische Kultusgemeinde wird keine Freude haben damit.«
»Ruhe!«
»Im Ernst, Herbert. Du stellst die Demütigung der Juden aus. Mitten in Wien, jetzt, neunzehnhundertsechsundachtzig.«
»Jeder soll sich an neunzehnachtunddreißig erinnern. Was redest du daher? Für die Juden gibts keine Ausnahme. Das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus gilt für alle.«
Emmy stand auf und ging aus dem Zimmer. Krieglach folgte ihr, sein Kopf färbte sich mit einem Mal dunkelrot, und er brüllte zu seiner Frau hin:
»Auch die Juden müssen Demut lernen.«
»Herbert«, schrie sie zurück. »Die sind doch verjagt oder umgebracht worden.«
»Die Ermordeten sind tot und schlafen bis irgendwann«, sagte Krieglach langsam. »Die Überlebenden, ihr Blöden, die überlebenden und nachgeborenen Juden müssen in Demut vor der damaligen Demütigung verharren. Das ist Mahnen. Basta.«
»Ich weiß nicht.«
»Bist still?«
Er ging zu den Skizzen, nahm die vorletzte an sich, pinnte sie an die Staffelei. Er holte den Klaren, setzte an und trank, nickte der Skizze zu, drehte sich um zu seiner Frau, grinste sie an, die ihn, seine Gesichtszüge durchforschend, von der Tür her ansah. Er stach mit dem linken Zeigefinger Richtung Zeichnung.
»Genauso, Weiberl. Denn so ist es.« Er lachte auf. »Na, Emmy?«
»Du willst es so. Du willst es eben so.« Und sie nickte, ging auf ihn hin, küsste ihn auf die Stirn und nahm im Weggehen die Schnapsflasche mit nach draußen.
13.
Apolloner blieb zwei Tage daheim im Bett, breitete dort einige Bücher aus, lag quer und nackt auf der Steppdecke, legte sich die Kissen unters Kreuz, döste, blätterte in den Kapiteln des einen, im Nachwort des anderen Geschichtswerkes, schmierte sich von Zeit zu Zeit Butterbrote, ging gelegentlich ans Telefon, ließ es häufig auch läuten, stellte den Anrufbeantworter an, stellte ihn wieder ab. Judith rief an, er fertigte sie ab, bis sie beleidigt war, hernach, es war mitten in der Nacht und er war aus einem Traum hoch
gefahren und voll Erregung, rief er sie zurück, weckte sie auf und bat sie, sofort zu ihm zu kommen. Sie legte, ohne ein Wort zu sagen, auf. Er rief sofort und aufgeregt nochmals an, hörte ihren Anrufbeantworter. Er ging wieder zu Bett, nachdem er sich einige Penthousehefte aus dem Versteck hervorgeholt hatte. Am Ende der beiden Tage wusste er immer noch nicht, wie er dieser inneren Aufgeregtheit Herr werden könne. Er duschte, rasierte sich, schnitt sich die Fußnägel, föhnte sich die Haare, ging zum Telefon.
»Ja, bitte.«
»Hier spricht Roman Apolloner. Störe ich Sie, Herr Fraul?«
»Wer? Ach so. Ah ja. Nein, Sie stören mich nicht.«
»Ich würde Sie gern treffen. Ich meine, nochmals treffen.«
»Noch ein Interview? Für wen?«
»Nein, Herr Fraul. Es ist mehr privat.«
»So?«
»Es ist schwer erklärlich zu machen …«
»Nichts ist schwer erklärlich zu machen«, sagte Fraul mit etwas erhobener Stimme. »Entweder leicht oder gar nicht.«
»Darf ich Sie um einen Termin bitten?«
»Sagen Sie mir doch, worum es geht!«
»Johann Wais.«
»Wer? Wie? Johann Wais?«
»Ich geniere mich so, dass so einer kandidiert.«
»Sie genieren sich? Sie?« Ein schweres Lachen kam aus dem Hörer heraus.
»Ich kann es, wie gesagt, nicht erklären«, versuchte
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