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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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setzte mich nackt vor den Fernseher. Aus dem sprach Johann Wais, bleich im Gesicht und mit schmalen Lippen, dass er nichts anderes getan habe wie hunderttausend andere Österreicher auch.
    Eben, dachte ich. Eben.
    11.
    Wenn ich mich auf die Phädra konzentriere, dann ist es gut. Die von Gehlen ist die eindrucksvollste Phädra, die es im deutschsprachigen Theater seit neunzehnfünfundvierzig je gegeben hat, schreibt die FAZ . Ich weiß auch nicht, warum mir die Rolle so liegt, dachte Astrid, ich habe das Gefühl, ich werde noch vertrieben werden aus den großen partnerschaftlichen Leidenschaften ins Affenmutterland, in die Besessenheiten. Leider ist der Gruber langweilig als Hippolyt, er geht mir auf die Nerven mit seinem ständigen irritierten Augenbrauenheben, wenn ich ihm in den Schritt fasse. Mir wäre der Karel viel lieber, und er wäre sicher wunderbar, aber im Moment ist er eher alles andere als eine Wonne. Daheim habe ich den depressiven Felix, der mit seiner Zeit gar nichts anfangen kann. Ich versteh ihn, was wäre ich ohne die Arbeit, aber Genesungen brauchen halt ihre Weile. Und in der Margaretenstraße hängt der Fraul herum, wenn er nicht volltrunken ist. Ich wollte ihn in seinen Zuständen belassen, denn was geht mich seine Verzweiflung an? Mir gefällt seine Frechheit, sein Witz, der Sex mit ihm ist wun
dervoll, aber wozu ist er jetzt gut? Wenn man seine Freundin auf so kaltschnäuzige Weise abserviert, dachte Astrid, braucht man sich über unangenehme Folgen nicht zu wundern. Klar hätte sich die nicht gleich in die Donau werfen müssen, als wäre sie eine Schnitzlererfindung gewesen, aber was hat das mit mir zu tun? Der Mensch ist frei, und jeder ist für sich selbst verantwortlich. Was sind das für Selbstherrlichkeiten, wenn der Mann sich nun schuldig am Tod dieser Margit fühlt. Doch ich schaffe es irgendwie nicht, ihn einfach zu lassen und meiner Wege zu gehen. Ich schlafe mit den Gedanken an ihn ein, träum von ihm und wache mit ihm auf. Statt des mürrischen Frühstücksgesichts von Felix stell ich mir Karel vor, dachte Astrid ihre Gedanken zu Ende, wie er mit der einen Hand das Frühstücksei mit dem Rücken des Teelöffels beklopft, mit der anderen Hand mir an die Brust geht oder mir die Augenbrauen bestreicht. Gottikeit, wir könnten es so schön haben. Die Margit ist nun mal tot, und sie hatte es selbst so gewollt, das ist traurig, jawoll, tragisch ist das, aber es ist vorbei. Unlängst habe ich Karl geschüttelt vor Verzweiflung, weil er nicht aus seiner Jammerbrühe herauskommen mag, ich habe die Türen zugeschmissen, musste selber andauernd heulen und zermarterte mir den Kopf, wie ich dem Idioten helfen könnte.
    Astrid von Gehlen hatte sich mit Adel am probenfreien Sonntag verabredet. Sie war in seine Wohnung gekommen, die er sich für ein paar Wochen gemietet hatte und die er mit seinem Töchterchen bewohnte. Im dritten Stock eines Herrenhauses in der Herrengasse besuchte Astrid den Herrn. Er ließ sie hinein, im japanischen Schlafrock, sehr parfümiert, geleitete sie in seinen Salon. Auf dem Tisch stand ein Samowar, aus dem er ihr und sich den Tee servierte.
    »Was ist so wichtig, Astrid? Was muss sofort geschehen?«  
    »Bist du mit dem Bastian zufrieden?«, fragte sie ihn sofort und versuchte seinen Blick zu fixieren.
    »Zwei Wochen nach der Premiere gibts Faxen?«, sagte er. »Ich finde ihn ganz nett in seiner Steifheit. Ich weiß wohl«, Adel erhob sich und stellte sich zum Fenster, sodass Astrid in seinen Rücken schauen musste, »du musst sehr viel aus dir holen, weil er dir wenig gibt, aber so ist die Phädra halt. Im Grunde ist es schnuppe, ob es der Stiefsohn ist oder ein anderer, ihre Liebe ist ohnedies pure Selbstliebe und Zukunftsangst. Mir gefällt es, dass der Bastian deinen Gefühlsstürmen hilflos und ignorant ausgesetzt ist.«
    »Ich komme mir aber vor wie ein Hysterieautomat. Nein, Peter, das geht nicht, da kommt gar nichts. Bastian ist nicht mit Phädra überfordert, sondern mit seiner Rolle. Ich will nicht mehr weitermachen mit ihm.«
    »Das willst du mir antun?« Adel hatte sich rasch umgedreht und verzog sein Gesicht zu einer kindsweinerlichen Grimasse.
    »Hör auf«, sagte Astrid von Gehlen und sprang auf. »Ich will dir nicht drohen, wann habe ich dir je gedroht, ich will dich zu nichts zwingen, aber du wolltest doch nicht bloß eine Gehlenphädra, sondern eine rundum –«
    »Du kannst nicht aussteigen, Astrid. Das würde ich dir nie vergeben. Nie. Nein,

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