Der Kammerjäger
geschärften Rand flach gegen dessen entsetztes Gesicht, knapp unter dem Auge, drückte die Haut gegen den Knochen und drohte, das Ganze mit der nächsten Druckverstärkung durchzusäbeln. «Willst du, daß ich dir 'n neues Arschloch schneide, Arschloch?» erkundigte sich der Mann.
Die vorbeikommenden Eingeborenen taten so, als würden sie nicht sehen, was passierte. Ein New Yorker Reflex, sozusagen.
Bevor Bob die vermutlich rhetorische Frage des Schnorrers be- antworten konnte, knallte die Tür des Pinto auf und zerdellte WUMM! - die Seite des stinkigen Schnorrerkopfes. Der Schraubenzieher rollte in einen Gully.
Mary sprang aus dem Wagen, schnappte sich ihre Handtasche und stürzte sich auf den jetzt regungslosen Bettler. Sie unterstrich jedes ihrer Worte, indem sie seinen Kopf gegen das Pflaster bollerte: «Ich ... besitze ... keinen ... einzigen ... Dollar ... du ... Huren ... sohn!»
Bob rappelte sich auf und zog Mary von dem benommenen Mann weg, der sich mühsam aufsetzte und große Augen machte. «Jesses, Lady, hast du 'n Problem?»
«Und ob ich eins hab! Willst du dich deswegen mit mir anlegen?!»
Bob hielt Mary wie eine tollwütige Hündin fest, die an ihrer Leine zerrt. Er drohte dem Bettler: «Hau lieber ab, bevor ich sie loslasse.»
Beruhigt, daß sie nicht direkt eingreifen mußten oder sonstwie darin verwickelt würden, blieben jetzt die Passanten stehen, um zuzusehen. Einer aus der Menge rief: «Laß sie doch los!» Eine andere Stimme setzte zwanzig auf die Frau. Keiner wettete dagegen.
Der Schnorrer rappelte sich auf und erhob sich vom Bürgersteig. «Das ist ja ein Tier, die da! Sie können mir nur leid tun, Mister!»
«Nicht nötig, sie ißt weniger als ein Rottweiler», entgegnete Bob.
Der Schnorrer stolperte davon. Enttäuscht, daß sie keine Straßenjustiz zu sehen bekam, zerstreute sich die Menge wieder.
Mary war ein Nervenbündel.
«Alles okay, Schatz?» fragte Bob, während er ihr über die
Haare strich.
«Ja, ich denke schon. Und du?»
«Ja, alles in Ordnung», sagte er und rieb sich den Kopf.
Bob und Mary sahen sich an, schüttelten die Köpfe und wiederholten gleichzeitig die Worte, die ihr Mantra geworden waren: «Gott, ich hasse diese Stadt.»
Weiter unten auf der Straße blickte sich der Schnorrer zu Bob und Mary um und murmelte: «Mann, ich hasse diese Stadt.»
Katy hatte sich mit dem Fernseher in den Wanzsaal verzogen und sah sich eine unnötig gewalttätige Sendung an, in der es um einen verzweifelten und schaurigen Kampf zwischen einem schrotflintenschwingenden Schwachsinnigen mit einer Sprachbehinderung und einem grabenden Säugetier der Hasenfamilie ging. Sie nutzte Bobs und Marys Abwesenheit, um sich von den Strapazen einer Hausarbeit zu erholen.
Zwei Tage zuvor hatte Katys Lehrerin jedem Schüler ein Tier zugeordnet und erwartete einen Bericht am Montag. Als die Lehrerin die Tiere verteilte, hoffte Katy auf etwas Zähnefletschendes wie ein Krokodil oder einen Hai. Zuerst war sie enttäuscht, als die Lehrerin ihr die Honigbiene gab, aber dann erinnerte sie sich an den Stock derabelhas assassinas, die in dem weißen Kasten im Fenster des Wanzsaals lebten. Das waren nicht nur Honigbienen, sondern Killer-Honigbienen!
Katys Begeisterung für ihre Arbeit nahm noch zu, als sie ein Buch fand, das Die Killerbienen hieß und von Anthony Potter verfaßt war. Darin ging es um die Afrikanischen Honigbienen (Apis melliftra adansonii), die Dr. Warwick Kerr 1956 nach Brasilien verfrachtet hatte.
In Katys Version der Geschichte brachte ein gieriger alter Wissenschaftler diese wirklich gemeinen afrikanischen Bienen nach Brasilien, weil sie mehr Honig produzierten als die brasilianischen Bienen, und mehr Honig bedeutete mehr Kohle. Eines Tages ließ jemand, der ein richtiger Holzkopf gewesen sein mußte, die afrikanischen Bienenköniginnen aus den Stöcken, und sie verbreiteten sich über ganz Südamerika und töteten jeden in Sichtweite.
Katy fand es sehr cool und total kraß, daß die Killerbienen in riesigen Schwärmen angriffen, und wenn die Opfer schrien, flogen ihnen die Bienen in den Mund, und während der Autopsien der Opfer fand man Dutzende von Bienen in ihren Mägen! Wau!
Sie fand auch ziemlich geil, daß afrikanisches Bienengift doppelt so potent war wie amerikanisches Bienengift und daß es ein Neurotoxin aufwies, das das langweilige alte amerikanische Bienengift nicht hatte. Das Schlimmste, was amerikanische Bienen anrichten konnten, war, einem das Atemsystem
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