Der Kampf beginnt
und Jessica merkte ihm ein nicht unbeträchtliches Bedauern an. Dann fand er hastig eine andere Arbeit und entschuldigte sich.
Sie trat zum nächsten Kundenschalter hinüber, zählte die Glassplitter, die länger waren als ihre Finger und betrachtete den zerfetzten Stoffbezug an der Rückenlehne des Sessels. Da vorn war noch einer. Und dort drüben ein dritter. Manche der Scherben sahen aus, als wären sie ein Dutzend Meter oder noch weiter geschleudert worden.
»Und niemand ist zu Schaden gekommen?«, fragte sie sich wieder und rieb nachdenklich über den Äskulapstab.
»Tassa Kays Entscheidung, mit den Stahlwölfen nach Tigress zurückzukehren, ist keine sonderlich beruhigende Nachricht«, stellte Lady Janella Lakewood fest. »Das verspricht nichts Gutes für die Republik. Wird sie dicht halten?«
Raul nickte. Er saß in Hanson Doles' Sessel und ließ die Erschöpfung nach den Anstrengungen dieses Tages durch seine Beine in den Kachelboden der Station abfließen. »Ja, ich vertraue ihr. Ihre Rolle war ein notwendiger Teil der Täuschung, und ihr ging es einzig darum, zu verhindern, dass der Schwertschwur die Kontrolle über die Anlage und über Achernar behält.«
Also hatte Tassa Sandoval-Gröll beschäftigt, während ihre Infanterie in Position gegangen war, die Sprengladungen entfernt und an ihrer Stelle Attrappen montiert hatte, die zwar reichlich Qualm und
Feuer spuckten, aber keinen ernsthaften Schaden anrichten konnten. Dann waren sie mit einer großen Effektschau explodiert - eine holo-vidreife Vorstellung, dachte Raul mit grimmigem Lächeln - um alle Beobachter von der Illusion zu überzeugen, dass der Hyperpulsgenerator beschädigt war.
Lady Janella Lakewood wirkte diesmal ruhiger und gefasster als während ihres letzten Gesprächs, und diesmal hatte sie über die Station auf Ronel Kontakt mit ihm aufgenommen statt über eine Feldrelaisverbindung. »Ein guter Plan«, erklärte sie. »Gut genug, dass ich versucht wäre, ihn hier auf Ronel anzuwenden. Nur ist der Vorteil, den der Besitz der HPG-Station ihnen bietet, den beiden Fraktionen hier - zumindest bis jetzt - völlig gleichgültig. Es besteht eine alte Feindschaft zwischen Sandovals Schwertschwur und Des Drachen Zorn.«
»Heutzutage scheinen alle Feindschaften ein historisches Erbe zu sein.« Raul schüttelte den Kopf. »Manchmal frage ich mich, ob Devlin Stone uns nicht ein Chaos vererbt hat. Macht mich das zu einem schlechten Bürger?«
»Es macht Sie zu einem Menschen, Raul. Devlin Stone hat uns eine Menge unbeantworteter Fragen hinterlassen. Er hat uns auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft vererbt, aber - wie schon immer - so ist dies eine Frage der persönlichen Entscheidung. Sie haben jedenfalls vorbildhaft gewählt.«
Raul schüttelte den Kopf. Ihn drückten Schuldgefühle. Er hörte die Tür hinter sich aufgehen und sich wieder schließen. Er wusste, dass es nicht Hanson Doles sein konnte, und der Stationsmanager hatte strikte Anweisung erhalten, nur eine einzige Person zu ihm ins Büro zu lassen. Trotzdem sagte er genau das, was ihm auf der Zunge lag. »Nein, Lady Lakewood. Ich habe Fehler begangen, durch die Menschen ihr Leben verloren haben, und manche ihr Vertrauen in mich.« Er verdrängte die düstereren Erinnerungen an Charal DePriest und an Jessica. »Ich habe mich nicht allzu gut geschlagen.«
Janella Lakewood lächelte traurig. »So geht es uns allen am Anfang, aber wir lernen - und wir halten durch.
Irgendwann auf unserem Weg finden wir Vergebung. Sie haben in der Erfüllung Ihrer Pflicht Achernar oder der Republik gegenüber nicht nachgelassen. Sie haben auch im Angesicht persönlicher Verluste und Verletzungen nicht aufgegeben. Was können Sie noch von sich erwarten?«
»Mehr«, lachte Raul. »Ich erwarte mehr.«
»Gut, denn ich habe vor, Ihnen diese Gelegenheit zu geben.« Janel-la Lakewoods blaue Augen leuchteten mit neuer Sicherheit. »Es wird mir und anderen eine Hilfe sein, zu wissen, dass wir jemanden im Gebiet haben, dem wir vorbehaltlos vertrauen können. Ich würde Sie gerne zum Fahrenden Ritter der Sphäre ernennen, Raul. Natürlich unter dem Vorbehalt der Bestätigung durch Exarch Red-burn.«
Bei diesem Angebot zuckte ein kalter Schauder durch Rauls Rückgrat. Ein Ritter der Sphäre! Das war nicht nur eine Position weit jenseits von allem, was Raul sich jemals erträumt hatte. Die damit verbundene Verantwortung türmte sich vor ihm auf und drohte ihn wie ein Hundert-Tonnen-Panzer zu überrollen.
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