Der Kampf der Insekten
steckte das Saugrohr in die Inspektionsöffnung und bediente den Hebel. Ein feiner Sprühregen schoß aus seiner provisorischen Pumpe. Joao schraubte die Zerstäuberdüse ab und steckte sie in die Tasche. Als er weiterpumpte, kam ein dünner, schmutziger Wasserstrahl.
Der Ruf eines Tukans wehte vom Ufer herüber. Joao pumpte geduldig und spähte unter der Tragfläche durch. Sie hatten eine Flußbiegung vor sich, und hinter ihr ragten schwärzliche Felsklippen über die Bäume. Die Entfernung mochte fünf oder sechs Kilometer betragen.
Basaltfelsen, dachte Joao. Möglich, daß der Fluß irgendwie durch diese Felsen muß.
Aber die Flußbiegung erwies sich als eine Schleife, und eine Vierteilstunde später war klar, daß der Fluß sich von den Klippen entfernte. Die Tatsache vermochte Joao nicht optimistisch zu stimmen. Der Fluß konnte sich zehn Kilometer durch die Landschaft winden und zuletzt bis auf einen Kilometer zu der Stelle zurückkehren, wo sie jetzt waren.
Die Pumpe saugte Luft an. Joao verschloß die Inspektionsöffnung und kehrte in die Kabine zurück. Er legte die Pumpe in die Ecke und ließ sich schnaufend in seinen Sitz fallen. Chen Lu verriegelte die Tür.
»War viel Wasser im Schwimmer?« fragte Rhin besorgt.
»Nicht allzuviel.«
Die Kapsel tanzte und schaukelte durch eine unruhige Zone konvergierender Strömungen, geriet wieder ins Kreiseln. Im Norden stieß eine breite Bahn aus Sonnenlicht durch die Wolken. Als ob es ein Signal gewesen wäre, begannen sich allenthalben große Flecken von Blau in den Wolken zu öffnen. Gleißendes Licht hüllte den Fluß und die dampfenden Wälder ein.
»Da ist die Sonne, die gute alte Sonne«, sagte Rhin. »Nun, da wir sie nicht mehr brauchen.«
Ein Bedürfnis nach männlichem Schutz überkam sie, und sie schob sich näher zu Joao, schmiegte sich an ihn und küßte seinen Hals. »Es wird furchtbar heiß werden«, flüsterte sie.
»Wenn Sie allein sein möchten, könnte ich eine Weile hinausgehen«, spottete Chen Lu.
»Beachte ihn nicht«, sagte Rhin. »Er ist bloß eifersüchtig.«
Chen Lu lachte erheitert. »Die Ultima Ratio weiblicher Situationsanalyse. Sagen Sie, Rhin: Habe ich Ihnen den Eindruck vermittelt, daß ich Sie liebe?«
»Ob Sie mich lieben oder nicht, ist mir völlig gleichgültig«, sagte sie bissig.
Chen Lu schwieg.
Sie strömte einen Moschusgeruch aus, der Joaos Verstand zu umnebeln drohte. Er holte tief Atem, schüttelte seinen Kopf. Was ist das für eine Frau? dachte er hilflos. Dieses wetterwendische, unberechenbare Weib …
Sie nestelte an seinem Hemd, knöpfte es auf und schob ihre Hand durch. Ihm war, als ob ihre Finger elektrisch geladen wären.
»Du hast schon viele Mädchen gehabt, nicht wahr?« flüsterte sie in sein Ohr.
Ihre Worte lösten eine Folge von Erinnerungsbildern aus, die durch Joaos Geist blitzten. Rehbraune Augen, unschuldige Augen, liebevolle Augen, berechnende Augen: Augen, Augen, Augen. Und üppige Körper in engen Miedern oder in weißen Laken … heiß unter seinen Händen.
»Irgendein besonderes Mädchen?« fragte Rhin.
»Ich hatte immer sehr viel zu tun«, sagte Joao.
»Das kann ich mir denken«, sagte sie.
»Was soll das heißen?«
»Irgendwo gibt es ein Mädchen, an das du oft denkst. Wie ist sie?«
Er zuckte unbehaglich die Achseln und versuchte ihren Kopf wegzuschieben, aber sie blieb an ihn gedrängt und blickte zu seiner Kinnlinie auf, wo kein Bart wuchs. Er hat Indianerblut, dachte sie. Kein Bart: Indianerblut. Ihre Hand streichelte seine Brust unter dem Hemd.
»Ist sie schön?« beharrte Rhin.
»Viele Frauen sind schön«, sagte er.
»Eine von diesen dunklen, üppigen Typen, möchte ich schwören«, sagte Sie. »Hattest du sie schon im Bett?«
Und Joao dachte: Was hat das zu bedeuten? Wie ist dieser Umschwung von tiefster Verzweiflung zu geiler Aufdringlichkeit zu verstehen? Glaubt sie, ich würde es hier im hellen Tageslicht vor Chen Lus Augen mit ihr treiben?
»Ein Herr«, sagte Rhin. »Er verweigert die Antwort.«
»Viele Familien hier sind mit ihren Frauen sehr streng«, sagte Chen Lu. »Ein Mädchen, das auf sich hält, geht auch heute noch als Jungfrau in die Ehe.«
Rhin löste sich von Joao, setzte sich zornig auf, ohne recht zu wissen, warum sie das getan hatte.
»Waren Sie nie menschlich?« sagte sie zu Chen Lu. »Haben Sie nie eine menschliche Schwäche gekannt, nicht mal für einen Tag oder so? Waren Sie immer dieser unerträglich beherrschte, höfliche, beobachtende,
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