Der Kampf des Geisterjaegers
wieder musste ich an Tibb denken. War dieses Wesen hier noch irgendwo?
Schließlich kamen wir ins Arbeitszimmer. Gleich beim Eintreten konnte ich den Tod riechen. Zwischen den Bücherregalen lag jemand mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden.
»Zünde die Laterne an«, befahl mir der Spook. »Das sollten wir uns näher ansehen ...«
Der Tote war Nowell. Sein Hemd hing in Fetzen, es war ihm buchstäblich vom Rücken gerissen worden und voller getrocknetem Blut. Eine Blutspur führte zur hinteren Tür, die offen stand. Um den Magistrat herum lagen Bücher verstreut. Der Spook blickte zum obersten Regalbrett empor, von wo sie heruntergefallen waren, dann kniete er sich hin und drehte den Magistrat auf den Rücken. Nowells Augen waren weit aufgerissen und sein Gesicht war angstverzerrt.
»Wahrscheinlich hat Tibb ihn getötet«, erklärte der Spook und sah wieder zum obersten Buchregal hinauf. »Anscheinend war er dort oben und hat sich dann auf Nowells Schultern fallen lassen, als er unten vorbeiging. Vielleicht ist dieses Biest ja noch im Haus«, meinte er und wies auf die Spur.
Er öffnete die Tür. Dahinter führte die Blutspur eine schmale Steintreppe hinunter und verlor sich in der Dunkelheit. Mein Meister ging mit dem Stab in der Hand hinunter, ich folgte ihm dicht auf den Fersen und hielt die Laterne hoch. Plötzlich befanden wir uns am Eingang zu einem kleinen Keller, an dessen rechter Seite gut gefüllte Weinregale standen. Der Steinfußboden war sehr sauber, und die getrocknete Blutspur führte zur hintersten Ecke, wo Tibb bäuchlings auf der Erde lag.
Er war kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte, wie er von der Decke auf mich herabgeblickt hatte, kaum größer als ein mittelgroßer Hund. Seine Beine hatte er unter den dichten schwarzen Pelz an seinem Körper gezogen. Das Fell war ebenfalls blutverklebt. Doch ich wusste, dass er trotz seiner geringen Größe unglaublich stark war. Pater Stocks hatte sich nicht gegen ihn wehren können und auch Nowell hatte er getötet. Und beide Opfer hatten in der Blüte ihres Lebens gestanden.
Vorsichtig näherte sich der Spook Tibb und ließ mit einem leisen Klicken die Klinge aus der Vertiefung am Ende seines Stabes springen. Bei diesem Geräusch streckte Tibb die Arme aus, fuhr die Krallen aus und hob den Kopf seitlich an, um uns anzusehen. Es war vor allem dieser Kopf, der mir einen gruseligen Schauer über den Rücken jagte. Er war völlig kahl und glatt, mit Augen so kalt wie die eines toten Fisches und einem offenen Maul voller nadelspitzer Zähne. Einen Augenblick lang befürchtete ich, er würde auf den Spook losgehen, doch stattdessen gab er nur ein gequältes Stöhnen von sich.
»Ihr seid zu spät«, sagte Tibb. »Meine Herrin hat mich zurückgelassen und ich sterbe. So viele Dinge habe ich gesehen. So viele. Aber nicht meinen eigenen Tod. Das ist das Letzte, was ein jeder von uns sieht .«
»Ja«, entgegnete der Spook und hob den Stab, »ich halte deinen Tod in meiner Hand ...«
Doch Tibb lachte nur bitter auf und fauchte: »Nein. Ich sterbe auch so. Meine Herrin hat mir nie gesagt, wie kurz mein Leben sein würde. Neun kurze Wochen, das ist alles, was ich hatte. Ist das gerecht? Neun Wochen von der Geburt bis zum hohen Alter und dem Tod? Jetzt bin ich sogar zu schwach, um auch nur meinen Körper vom Boden zu erheben. Also spar dir die Kräfte, alter Mann. Du wirst sie für dich selbst brauchen. Euch beiden bleibt nur noch sehr wenig Zeit. Doch der Junge an deiner Seite kann dein gescheitertes Werk fortsetzen. Das heißt, wenn er den nächsten Neumond überlebt ...«
»Wo ist Wurmalde?«, wollte der Spook wissen.
»Fort! Fort! An einem Ort, an dem ihr sie niemals findet. Nicht, bevor es zu spät ist. Bald wird meine Herrin den Teufel durch das dunkle Portal auf diese Welt holen. Zwei Tage lang wird er ihr gehorchen. Dann wird er seiner eigenen Wege gehen. Weißt du, was sie sich als Ziel gesetzt hat? Welchen Preis der Teufel für das zahlen muss, was meine Herrin ihm gibt?«
Der Spook seufzte auf, aber er antwortete nicht. Ich sah, wie seine Hände um den Stab zuckten. Er machte sich bereit, die Bestie zu töten.
»Der Tod des Jungen ist die Aufgabe. Er muss sterben, weil er der Sohn seiner Mutter ist. Der Sohn unserer Feindin. Einst, in einem fernen Land, war auch sie unsterblich wie meine Herrin und herrschte über die dunklen Mächte. Doch sie wurde abtrünnig. Trotz vieler Warnungen wandte sie sich dem Licht zu. Deshalb wurde sie an einen
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