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Der Kampf mit dem Dämon

Der Kampf mit dem Dämon

Titel: Der Kampf mit dem Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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sich nicht, er rafft sich nicht mannhaft auf: wie ein ertappter Dieb läßt er sich aus dem Hause jagen, um dann nur noch an heimlich vereinbarten Tagen von Homburg aus wieder der treugebliebenen Geliebten zu nahen. Knabenhaft schwach, weibisch fast ist Hölderlins Haltung in dieser Entscheidungsstunde – er schreibt der Entrissenen schwärmerische Briefe, er dichtet sie zu Hyperions herrlicher Braut empor und schmückt sie auf beschriebenen Blättern mit allen Hyperbeln der Leidenschaft, aber er unterläßt jeden Versuch, die Lebendige, die Nahe, die Geliebte gewaltsam zu gewinnen. Nicht wie Schelling, wie Schlegel reißt er, gleichgültig gegen Geschwätz und Gefahr, die geliebte Frau aus verhaßtem Ehebund feurig hinüber in sein Leben: nie trotzt der ewig Unwehrhafte dem Schicksal, immer beugt, immer neigt er sich demütig der Übermacht, immer erklärt er sich von vornherein vom stärkeren Leben besiegt – »the world is too brutal for me«. Und man müßte diese Wehrlosigkeit feige nennen und schwächlich, wäre hinter dieser Demut nicht großer Stolz und eine stille Gewalt. Denn dieser Zerstörbarste aller fühlt tief in sich ein Unzerstörbares, eine Sphäre, die unberührbar, unbeschmutzbar bleibt von allem brutalen Zugriff der Welt. »Freiheit, wer das Wort versteht – es ist ein tiefes Wort. Ich bin so innig angefochten, bin so unerhört gekränkt, bin ohne Hoffnung, ohne Ziel, bin gänzlich ehrlos, und doch ist eine Macht in mir, ein Unbezwingliches, das mein Gebein mit süßen Schauern durchdringt, sooft es rege wird in mir.« Nur in diesem Wort, in diesem Wert ist Hölderlins Geheimnis: hinter der schwächlichen, zerbrechlichen, neurasthenischen Unkraft seines Leibes waltet eine höchste Sicherheit der Seele, die Unverletzlichkeit eines Gottes. Darum hat alles Irdische im letzten Sinne keine Macht über den Machtlosen, darum gehen alle Erlebnisse nur wie Wolken in Frühlicht oder Dämmerung über den untrübbaren Spiegel seiner Seele hin. Was immer Hölderlin begegnet, vermag ihn nicht ganz zu durchdringen, auch Susanne Gontard kommt nur traumhaft als griechische Madonna an seine Sinne und schwindet wieder hin wie ein Traum, dem er wehmütig nachsinnt. Besitz und Verlust rührt nicht an sein innerstes Leben, daher die Unverwundbarkeit des Genius bei äußerster Empfindlichkeit des Menschen. Dem, der alles zu verlieren vermag, wird alles Gewinn, und das Leiden läutert sich seiner Seele zu schöpferischer Macht, »je unergründlicherein Mensch leidet, um so unergründlicher mächtig ist er«. Gerade da ihm »die ganze Seele beleidigt worden«, entfaltet der Gedemütigte seine höchste Kraft, den »Dichtermut«:
    Sind denn Dir nicht verwandt alle Lebendigen,
Nährt die Parze denn nicht selber im Dienste Dich?
Drum, so wandle nur wehrlos
Fort durchs Leben, und fürchte nichts!
Was geschiehet, es sei alles gesegnet Dir.
    Was von den Menschen kommt an Not und Unbill, vermag nichts wider den Menschen in Hölderlin. Was aber von den Göttern ihm an Schicksal gesendet wird, nimmt sein Genius groß in sein klingendes Herz.
    Nachtigallengesang im Dunkeln
    Des Herzens Woge schäumte nicht so schön
empor und würde Geist, wenn nicht der alte
stumme Fels, das Schicksal, ihr entgegenstände.
    Wohl in solcher tragisch verdüsterten Stunde, selbst selig im einsamen Gesang, mag Hölderlin jene von tiefster Urmacht emporgetragenen Zeilen geschrieben haben: »Ich hatte es nie so ganz erfahren, jenes alte feste Schicksalswort, daß eine neue Seligkeit dem Herzen aufgeht, wenn es aushält und die Mitternacht des Grams durchduldet und daß wie Nachtigallengesang im Dunkeln göttlich erst im tiefen Leid das Lebenslied der Welt uns tönt.« Nun erst härtet sich die knabenhaft-ahnende Melancholie zur tragischen Trauer, und die elegische Düsternis schwillt über in hymnische Gewalt. Die Sterne seines Lebens sind niedergesunken, Schiller und Diotima – urallein im Dunkel hebt jetzt der »Nachtigallengesang« an, der nicht mehr vergehen wird, solange ein deutsches Wort lebt, nun erst ist Hölderlin »durch und durch gehärtet und geweiht«. Was der Einsame in jenen wenigen Jahren auf der steilen Klippe zwischen Ekstase und Absturz schafft, ist, vom Genius gesegnet, vollendetes Werk: alle Rinden und Schalen,die seines Wesens glühenden Kern verhüllten, sind gesprengt, frei strömt die Urmelodie seines Seins in den unvergleichlichen Rhythmus des Schicksalsliedes. Nun entsteht jener herrliche Dreiklang seines Lebens: das

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