Der Kampf mit dem Dämon
einer einsetzenden Idolatrie Hölderlins, die ähnlich wie bei Goethe auch das Mißlungenste als grandios zu entdecken sucht
), die absolute Notwendigkeit des Mißlingens aus der innersten Anlage des Hölderlinschen Genius schonungslos auszusprechen. Es ist vor allem kein Lebensbuch. Menschenfreund war Hölderlin damals und immer, unbefähigt für jede gestaltende Psychologie.
»Freund, ich kenne
mich nicht,
ich kenne nimmer die Menschen«,
hatte er hellsichtig selbst gedichtet: nun versucht sich im »Hyperion« einer, der nie Menschen nahe gewesen, bildnerisch an Gestalten, schildert eine Sphäre (den Krieg), die er nicht kennt, eine Landschaft (Griechenland), in der er nie gewesen ist, eine Zeit (die Gegenwart), um die er sich nie bekümmert hat. So ist er, der Reinste, der Reichste in seiner Ahnungswelt, genötigt, für die Darstellung der Welt von fremden Büchern unziemlich viel zu borgen. Die Namen sind glatt aus anderen Romanen übernommen, die griechischen Landschaften aus Chandlers Reisebeschreibung einfach transponiert, Situationen und Gestalten zeitgenössischen Werken schülerhaft nachgebildet, die Fabel ist voller Anklänge, die Briefform imitiert, das Philosophische kaum mehr als poetische Wiedergabe aus Schriften und Gesprächen. Nichts am Hyperion ist – warum nicht klar sprechen! – Hölderlins Eigentum als eben das Urtümlichste daran, der ungeheure Schwung der Empfindung, jener aufspringende Rhythmus derRede, die schön dem Unendlichen entgegenbrandet. Im höheren Sinn gilt dieser Roman nur als Musik.
In eine Nußschale also kann man den eigenpersönlichen Ideengehalt des »Hyperion« eindrängen: aus der lyrischen Erhobenheit des rauschenden Worts löst sich eigentlich nur ein einziger Gedanke, und dieser Gedanke ist – wie immer bei Hölderlin – im wesentlichen ein Gefühl, sein einziges Erlebensgefühl von der Unvereinbarkeit der äußern mit der innern Welt, die dualistische Disharmonie des Lebens. Das Innen und Außen nun zusammenzuschließen in eine höchste Form der Einheit und Reinheit, die »Theokratie des Schönen« auf Erden zu begründen – das wird nun die idealische Aufgabe des einzelnen und der Welt. »Heilige Natur, du bist dieselbe in uns und außer uns. Es muß nicht so schwer sein, was außer mir ist zu vereinen mit dem Göttlichen in uns« – so betet sich der Jüngling, der Schwärmer Hyperion in die erhabene Religion der Vereinung empor. In ihm atmet nicht Schellings kalter Wortwille, sondern – man verzeihe das zufällige Wortspiel – Shelleys brünstiger Wille nach elementarischer Vermischung mit der Natur, oder die Sehnsucht des Novalis, die dünne Membran zwischen Welt und Ich zu sprengen, um wollüstig überzufließen in den warmen Leib der Natur. Neu nun und eigenartig in diesem Urwillen des Dichters nach Alleinheit des Lebens und Allreinheit der Seele erscheint bei Hölderlin einzig der Mythos von einem seligen Lebensalter der Menschheit, da dieser Zustand arkadisch unbewußt war und der religiöse Glaube an ein »zweites Lebensalter der Menschheit«. Was einst die Götter schenkten und die Unwissenden sinnlos verspielten, diesen heiligen Zustand erschafft sich wieder im Fron von Jahrhunderten der ringende Geist. »Von Kinderharmonie sind die Völker ausgegangen, die Harmonie der Geister wird der Anfang einer neuen Weltgeschichte sein. Es wird nur Schönheit sein und Mensch und Natur sich vereinigen in eine allumfassende Gottheit.« Denn – so folgert Hölderlin mit einer überraschenden Eingebung – kein Traum kann dem Menschen zufallen, dem nicht irgendeine Wirklichkeit entspräche. »Ideal ist, was einmal Natur war.« So muß die halkynische Welt einmal gewesen sein, da wir sie ersehnen. Und da wir sie ersehnen, so erschafft sie noch einmal unser Wille. Dem Griechenland der Geschichte müssen wir ein neues zur Seite zeugen, ein Griechenland des Geistes: selbst sein edelsterdeutscher Ahnherr, bildet Hölderlin diese neue Allheimat im Gedicht.
In allen Sphären sucht nun Hölderlins jugendlicher Bote diese »schönere Welt«. Hyperions erstes Ideal (er ist ja Hölderlins leuchtender Schatten) wird die Natur, die allvereinende; aber auch sie vermag die eingeborne Schwermut des ewig Suchenden nicht zu lösen. So sucht er weiter die Verschmelzung in der Freundschaft: auch sie füllt nicht das Unmaß seines Herzens. Dann scheint die Liebe ihm die selige Bindung zu gewähren: doch Diotima schwindet, und so sinkt dieser kaum begonnene Traum. Nun soll es das
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