Der Kampf mit dem Dämon
– es ist, als sei alle Griffkraft seines Gehirns erlahmt, und lose fallen die Gedanken ins Leere: immer endet als tragisches Stammeln, was als herrliches, kühn aufgeschwungenes Pathos sich erhoben. Der Faden der Redeverknäult sich, ohne daß Anfang und Ende zusammenzufinden sind: oft entfällt dem leicht Ermüdbaren in plötzlicher Gedankenohnmacht der begonnene Gedanke. Mit gleichsam zitternder, offenbar ungeschickter Hand kleistert er dann die hilflosen Übergänge mit einem flachen »nämlich« oder »es ist aber« zusammen oder macht ermattet vorzeitigen Schluß seiner Rede mit einem resignierten »Vieles wäre zu sagen davon«.
Aber diese scheinbar stammelnden Laute, denen oft die äußerliche Kohärenz des Gedankens fehlt; sind magisch gebunden durch einen höheren Sinn. Einzelheiten vermag der von dem Gerank des zufälligen Einfalls »wie mit üppigem Kraut überwucherte« Geist nicht mehr zu vernieten, aber Hölderlin erreicht in seinem rhythmischen Taumel oft einen Tiefsinn der Rede, wie sie ihm das Wachsein niemals gegeben – »Göttersprüche regnen nieder, und es tönt im innersten Haine«. Was sein neues Gedicht, sein Hymnus an morgendlicher Klarheit, an Reinheit des Umrisses in der erhabenen Verwirrung verliert, ersetzt ihm dämonische Inspiration durch jähe Blitze des Geistes. Denn durchaus gewitterhaft, durchaus blitzhaft sind von nun ab Hölderlins dichterische Erleuchtungen: sie dauern nur kurz und brechen unvermutet aus dem finster rauschenden Gewölk seiner breithinrollenden Oden hervor, aber sie erhellen unendlichen Horizont. Und in diesem wunderbaren Wandeln ins Weglose hinein begibt sich da knapp vor dem Ende, knapp vor dem Absturz in den Abgrund noch das einzige Wunder: im tiefsten Labyrinth des Weges ertastet Hölderlin, was er einst bewußt mit wachen Sinnen vergeblich gesucht: das griechische Geheimnis . Auf allen Straßen der Kindheit hatte der Jüngling sein Hellas gesucht, vergebens Hyperion ausgesandt, es an allen Gestaden der Zeit und der Vergangenheit zu finden. Er hatte Empedokles beschworen von den Schatten und die Bücher der Weisen durchforscht, das »Studium der Griechen« hatte ihm »statt Freundesumgang gedient«; nur darum war er so fremd geworden seinem Vaterland, seiner Zeit, weil er ewig auf dem Wege nach diesem Traumgriechenland unterwegs gewesen war: und selbst erstaunend über diese Verzauberung seiner Sinne hatte er sich oft gefragt:
Was ist es, das
An die alten seligen Küsten Mich fesselt, daß ich mehr noch
Sie liebe als mein Vaterland?
Denn wie in himmlische
Gefangenschaft verkauft
Dort bin ich, wo Apollo ging.
Und da, mitten im Chaos der Sinne, in der tiefsten Verklüftung des Geistes glänzt es ihm plötzlich glühend entgegen, das griechische Geheimnis. Wie Virgil den Dante, so führt Pindar den großen Verirrten der letzten Trunkenheit der hymnischen Rede entgegen. In den dröhnenden Gesängen, in den blockhaft chaotischen, felsig getürmten Übertragungen Pindars und Sophokles', erhebt sich Hölderlins Sprache über das bloß Hellenistische, bloß apollonisch Klare seines Anfangs: ungeheure Blöcke mykenischen Gesteins, eines mythischen Urgriechentums, ragen diese Transpositionen des tragischen Rhythmus in unsere laue, künstlich durchwärmte Sprachwelt. Nicht das Wort eines Dichters, nicht der nüchterne Sinn eines Verses ist da hinübergerettet von einem Ufer der Sprache zum anderen, sondern der feurige Kern der bildenden Leidenschaft noch einmal urmächtig entzündet. So wie im Organischen Geblendete deutlicher, gleichsam wacher hören, und wie ein abgestorbener Sinn die anderen sinnlicher, empfänglicher macht, so ist der Geist des Künstlers Hölderlin, seit sich ihm das klare Licht des nüchternen Verstandes verschlossen hat, unendlich offener für die rhythmischen Gewalten der Tiefe: in unbändiger Kühnheit preßt er die Sprache zusammen, bis ihr das melodische Blut aus allen Poren quillt, er bricht die Knochen des Satzbaus, daß sie geschmeidiger werden, und härtet wieder mit klirrendem Rhythmenschlag ihre tönende Spannung. Wie Michelangelo in seinen halbgestalteten Blöcken, so ist Hölderlin in seinen chaotischen Fragmenten vollendeter als die Vollendung selbst, die immer ein Ende ist: das Chaos, die Urmacht und nicht mehr eine einzelne dichterische Stimme wird in ihnen tönend und großer Gesang.
So herrlich, in purpurner Finsternis sinkt Hölderlins Geist in die Nacht. Wie sein Genius, der schwärmerische, so ist auch sein Dämon, der
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