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Der Kampf mit dem Dämon

Der Kampf mit dem Dämon

Titel: Der Kampf mit dem Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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übertreiberische Phantasie, die – nicht genug an den Menschenleidenschaften – nun die geheimen Kräfte des Kosmos herantreibt, daß sie seine Geschöpfe noch mehr verstricken: Verwirrung der Tatsachen zur Verwirrung des Gefühls! Im Sonderbaren ist immer Kleistens liebste Hausung: dort spürt er irgendwo nah in Schatten und Geklüft den Dämon, dem er überall magisch angelockt entgegenstrebt; auch im Weltwesen sucht er, wie sonst im Gefühl, den Superlativ.
    Durch dieses Abbiegen vom Offenbaren scheint Kleist für den ersten Blick seinen Zeitgenossen, den Romantikern, verwandt, aber zwischen jenen Dichtern teils gewollter, teils naiver Abergläubigkeit und Märchenseligkeit und seiner zwanghaften Liebe zum Phantastischen und Abstrusen klafft ein ganzer Abgrund des Gefühls: die Romantiker suchen das »Wunderbare« als eine Frommheit, Kleist das »Sonderbare« als eine Krankheit der Natur. Ein Novalis will glauben und schwelgen in dieser Gläubigkeit, ein Eichendorff und Tieck die Härte und Widersinnigkeit des Lebens auflösen in Spiel und Musik – Kleist aber, der Gierige, will das Geheimnis hinter den Dingen fassen, er bringt bis in das letzte Dunkel des Wunderbaren seinen forschenden, kalt-leidenschaftlichen, unerbittlich sondierenden Blick. Je sonderbarer das Geschehnis, um so sachlicher reizt es ihn, davon zu berichten, ja er setzt geradezu eine Bravour darein, das Unfaßliche in nüchterner Relation zu verdeutlichen, und so gräbt sich sein leidenschaftlicher Intellekt zäh wie eine Schraube Windung um Windung bis hinab in die unterste Sphäre, wo das Magische der Natur und das Dämonische des Menschen geheimnisvolle Brautschaft feiern. Hier kommt er Dostojewski näher als jemals ein Deutscher: auch Kleistens Gestalten sind geladen von allen kranken und übersteigerten Kräften der Nerven, und diese Nerven wiederum irgendwo schmerzhaft verhakt in das Dämonische der Weltnatur. Wie jener ist er nicht nur wahr, sondern durch Exaltation überwahr, und darum hängt jene gleichzeitig gläserneund drückende Atmosphäre wie ein Föhnhimmel über der Landschaft seiner Seelenwelt, ein Frost von Verstand jäh wechselnd mit einer Schwüle von Phantasie und plötzlich aufgerissen von zornigen Windstößen der Leidenschaft. Gewiß: sie ist großartig und voll Tiefblick ins Wesenhafte, die Kleistsche Seelenlandschaft, sie ist so intensiv wie kaum die eines anderen deutschen Dichters, aber doch schwer erträglich; kein Mensch kann lang in ihr verweilen (und er selber vermochte es nicht länger als ein Jahrzehnt). Sie ist zu stark für die Dauer eines ganzen Lebens, zu sehr atmosphärisch geladen mit gedrückter und geschwängerter Luft, ihr Himmel lastet zu schwer auf der Seele, sie hat viel Hitze und zu wenig Sonne, zu viel schneidende Klarheit des Lichts in zu engem Raum. Auch als Künstler hat der ewig Entzweite keine Heimat, keine harte Erde unter dem rollenden Rad seiner Gejagtheit. Er ist hüben und drüben und nirgends zu Hause: er lebt im Wunderbaren, ohne daran zu glauben, und gestaltet das Wirkliche, ohne es zu lieben.
    Der Erzähler
    Denn das ist die Eigenschaft aller echten Form,
daß der Geist augenblicklich und unmittelbar
daraus hervortritt, während die mangelhafte ihn
wie ein schlechter Spiegel gebunden hält und uns
an nichts erinnert als an sich selbst.
    Brief eines Dichters an einen anderen
    In zwei Welten wohnt seine Seele, in der heißesten tropischesten Überhitzung der Phantasie und in der nüchternsten, kältesten Sachwelt der Analyse – zweigeteilt ist darum auch seine Kunst, jede einem andern Extrem fanatisch zugewandt. Man hat oft den Dramatiker Kleist mit dem Novellisten zusammengetan, indem man ihn nur einen verschränkten Dramatiker nannte. In Wahrheit drücken aber diese beiden Kunstformen sichtlich ein Gegenteil aus, die zu ihren äußersten Enden getriebene Zwiefalt seines innern Ich – der Dramatiker wirft sich in seinen Stoff zügellos hinein, der Erzähler Kleist vergewaltigt seine Anteilnahme, preßt sich gewaltsam zurück, bleibt ganz außen, daß kein Atem seines Mundes in dieErzählung hineinfließt. In den Dramen spannt und erhitzt er sich selbst, in den Novellen will er die andern, den Leser, spannen und erhitzen, im Drama treibt er sich vor, in der Novelle zurück. Beides, Entströmen und Verhalten, stößt er bis in die äußerste Möglichkeit der Kunst: so sind seine Dramen die subjektivsten, ausströmendsten, die eruptivsten des deutschen Theaters, seine Novellen die

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