Der Kampf um die Sieben Inseln
Spionage nennen würden.«
David fühlte sich von dem agilen Landsmann überrumpelt. Eigentlich wollte er sich nicht in die Politik Ragusas hineinziehen lassen, aber dann stand er schon vor dem kleinen, dünnen Mann, den Dr. Morton mit herzlicher Umarmung und italienischem Redeschwall begrüßt hatte.
Mr. Ragnina sprach auch sehr gut ein etwas altmodisches Englisch und lachte, als ihn David fragte, warum er ›Herr der Zettel‹ genannt werde. Er stand auf, winkte David, ihm zu folgen, öffnete eine Tür und zeigte auf Regale, in denen Kisten über Kisten standen. Er nahm eine dieser kleinen Kisten in die Hand, öffnete sie und zeigte auf die vielen Zettel, die dort anscheinend in alphabetischer Ordnung aufgereiht aneinandergepreßt waren.
Zurück an seinem Schreibtisch, schenkte er ein Glas Wein ein und erzählte David, daß von allen Kapitänen, allen Handelsagenturen, allen Reisenden, konsularischen Vertretungen und vielen anderen ständig ein Strom von Informationen eintreffe. Auch werte man viele ausländische Zeitungen aus. Eine Schar von Sekretären ordne alles, und so sei man immer recht gut informiert.
»Wir wissen, daß Sie recht gut Russisch können, Freunde in der Flotte der Zarin haben, mit Toussaint Louverture fast freundschaftliche Bande knüpften, daß Sie ein reicher Mann sind, ein sehr fähiger Kapitän, daß Sie mit ihren Vertrauten Hassan und Gregor ein kampferprobtes Team bildeten, das mann auch ›die tödlichen Drei‹ nannte. Aber Mr. Hassan Kudat ist ja nun zurück in seine Heimat.«
David mußte ein völlig verdutztes Gesicht gemacht haben, denn Dr. Morton lachte laut auf. »Nehmen Sie Signor Ragnina diese kleinen Tricks nicht übel. Es sind ja keine echten Geheimnisse, die er hier verraten hat.«
David mußte auch lachen. »Dennoch, wer erwartet schon, daß er hier an der dalmatinischen Küste in einem Kasten mit Zetteln aufbewahrt wird.«
»Sir David, Ragusa kann nur überleben, wenn es sehr gut orientiert ist. Was ich eben sagte, war natürlich nur eine kleine Kostprobe, die bei keinem Ihrer Nachbarn in England überrascht hätte, sondern nur hier in diesem fremden Land. Um uns dem Ernst des Lebens zuzuwenden, darf ich Ihnen sagen, daß der Rat von Ragusa sehr glücklich ist, daß englische Schiffe in der Adria weilen. Wir möchten Ihnen in jeder erdenklichen Weise behilflich sein.«
Scherzhaft antwortete David: »Dann verraten Sie mir, wo ich diesen französischen Kaperschoner erwischen kann, der immer wieder die Küsten Korfus und der anderen Inseln unsicher macht.«
Zu seinem Erstaunen stand Ragnina auf, trat an eine Karte und sagte: »Der Schoner stammt aus der Gegend von Venedig und heißt Champion. Er hat seine Basis hier bei Ravni auf den Kornaten, fast unbewohnten Inseln. Fischer haben uns berichtet, daß er kürzlich gekommen ist und in etwa vier Tagen wieder auslaufen wird. Ich bin sicher, daß er Korfu anläuft, denn er hat einen Trupp Albaner angeheuert, die als Räuber bekannt sind.«
David hatte angespannt gelauscht und auf die Karte gesehen. »Muß ich jetzt meine Seele verkaufen? Ihr Wissen kommt mir fast überirdisch vor.«
»Aber nein, Sir David. Wir haben unsere Ohren nur überall, und jeder weiß, daß wir für wichtige Informationen gut zahlen. Sie dürfen nur nicht sagen, von wem Sie die Informationen haben. Wir sind nämlich neutral, Sir, auch wenn wir den Franzosen manchmal die Pest an den Hals wünschen.« Und er lächelte maliziös.
David war noch immer verwirrt, als er auf die Thunderer zurückkehrte. Er ließ fragen, ob Mr. Watt mit ihm lunchen wolle. Mr. Watt konnte kaum ablehnen, war jedoch überrascht, als er David sah. Der wirkte etwas irritiert.
»Was würden Sie sagen, Mr. Watt, wenn an diesem entlegenen Ort ein Ihnen unbekannter Mensch Einzelheiten aus Ihrem Leben weiß, die nur gute Bekannte erfahren konnten.«
»Wer sollte sich hier für mein Leben interessieren, Sir?«
»Ein Geheimdienst, der vorsorglich alle, aber auch wirklich alle Informationen über Menschen sammelt, die irgendwann einmal für die Politik der Stadt wichtig sein könnten.«
»Aber, Sir, wie sollte ich für Ragusa wichtig werden können?«
»Sobald man Ihnen das Kommando über ein Schiff erteilt, was nicht mehr lange auf sich warten lassen dürfte, und Sie in die Adria kommandiert.«
»Und darauf wäre Ragusa vorbereitet?«
David nickte. »Was ich jetzt sage, ist streng vertraulich. Der französische Kaperschoner wird in etwa vier Tagen nach Korfu auslaufen. Ich
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