Der Kampf um die Sieben Inseln
David!
Ich bin auf dem Weg, um irgendwo auf dem Festland eine Ehe einzugehen, die meine Familie aus drängenden finanziellen Sorgen retten soll. Ich werde die Frau eines sehr alten Mannes, der mir außer Reichtum nur seine Achtung und Freundschaft bieten kann und dafür erwartet, daß ich sein Haus schmücke und repräsentiere. Aber ich habe ja jene unendlich erfüllten Stunden, die du mir schenktest und die für immer in meinem Herzen verschlossen sind. Und mach dir keine Vorwürfe, David. Du hast geschenkt und nicht genommen. Gott segne deine Wege. In Liebe
Maria Charlotta
Langsam begriff er. Es war wie in Kopenhagen. Es gab kein Wiedersehen. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Und nun erfüllte ihn auch der Gedanke an Britta. Er hatte in den rauschhaften Stunden der Liebe nicht an sie gedacht und auch heute noch nicht. Was hatte er ihr angetan? Und dann hob er den Brief noch einmal, wischte sich die Augen und las: »Du hast geschenkt und nicht genommen.«
War das nicht zu einfach? Er hatte Liebe und Treue geschworen und den Schwur gebrochen. Oder doch nicht? Er liebte Britta ja unvermindert. Er ging zu dem Bild, das sie mit den Kindern zeigte und das ihn immer begleitete. Er würde es ihr nie sagen können, aber irgendwie glaubte er, daß sie ihm verzeihen würde.
Es klopfte an der Tür. Auf seinen Ruf trat Leutnant Foster ein. »Sir, die türkische Flotte lichtet Anker. Salutieren wir der Flagge?«
»Ja, Mr. Foster. Ich komme an Deck!«
Zwei Tage später lief die Shannon mit Kurs auf die ionischen Inseln durch die Straße von Messina. Die Mannschaft war guter Dinge, denn Palermo trauerte keiner nach. »Die haben ja dufte Weiber«, sagte ein Seemann zu seinem Kameraden. »Aber wenn sie dich umarmen, mußt du immer denken, daß ihr Macker auftaucht und dir den Hals durchschneidet.«
David hatte aufgehört, ständig über Maria und Britta zu grübeln. Er hatte seine Schuldgefühle zurückgedrängt und sich gesagt, daß nur ein Heiliger dieser Versuchung hätte widerstehen können. Die Erinnerung war wunderschön, aber seine Liebe zu Britta und den Kindern konnte sie nicht gefährden.
Nelson hatte ihn freundlich, aber distanziert verabschiedet und ihm geraten, sich immer auf den Rat von Konsul Foresti zu verlassen. »Der Mann weiß alles über die Inseln und hat großen Einfluß.«
Ushakov hatte ihm zu seiner Überraschung mitgeteilt, daß er nach Neapel und Genua segeln werde. Ohne Soldaten habe er auf Malta keine Chance. Aber Ushakov machte sich Sorgen um die Zukunft der Ionischen Republik während seiner Abwesenheit. »Sie haben nun einen Senat, und ihre Delegierten ersuchen in Konstantinopel und St. Petersburg um die Zustimmung zu ihrer Verfassung. Aber ich weiß, wie uneins sie sind und daß viele in Konstantinopel diese liberale Verfassung ändern und eine reine Adelsherrschaft errichten wollen. Sie hätte keinen Bestand, denn das Volk will sie nicht. Und der Adel will nicht die Einheit der ionischen Inseln, sondern nur seine partikularen Interessen. Ich beschwöre Sie, David Karlowitsch, stärken Sie die Zentralmacht, wann immer sie können. Und ganz im Vertrauen: Hören Sie nicht auf Ihren Konsul Foresti. Er will die reine Adelsherrschaft, aber die hat keine Zukunft.«
David hatte gelernt, daß Ushakov in der jungen Republik keine russischen Machtinteressen durchsetzen wollte, sondern daß ihm dieser zerbrechliche Staat, den er aus der Taufe gehoben habe, am Herzen lag. Seine Achtung vor diesem gewissenhaften Mann, den nicht einmal sein eigene Regierung voll unterstützte, war weiter gewachsen.
Drei Tage später sichteten sie die Thunderer, und David freute sich auf den Komfort seiner Kajüte, auf Leutnant Watt, Hauptmann Ekins und alle die vertrauten Gesichter. Auch die Besatzung der Thunderer schien sich zu freuen, denn sie drängten sich, ihn zu sehen, als er zum Klang der Pfeifen, Trommeln und des Dudelsacks an Bord kam. Kapitän Harland strahlte und schüttelte ihm kräftig die Hand. David bestellte ihm die Grüße von Kalmykow und Fürst Sorotkin, und Harland war begierig, mehr zu erfahren.
Aber erst begrüßte David die anderen Offiziere an Deck und hörte von Leutnant Watt, daß sie zwei tunesische Piratenschebecken versenkt und zwei venezianische Polaccas mit Getreide für Malta gekapert hätten. »Das wird auf Korfu gebraucht und bringt einen guten Preis.«
Harland berichtete in der Kajüte genauer über die Zeit seines Kommandos. Die Piraterie habe beängstigende Ausmaße
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