Der Kampf um die Sieben Inseln
Straße von Bonifacio zwischen Korsika und Sardinien. »Darf ich etwas fragen, Sir?« näherte sich der junge Edward Grant dem Ersten Leutnant.
»Nur zu«, ermunterte ihn Mr. Watt.
»Warum segeln die Franzosen nun schon acht Stunden hinter uns her, obwohl sie uns nicht mehr näher gekommen sind? Sie konnten doch schon lange nicht mehr annehmen, uns einzuholen, Sir.«
»Aber Sie haben gehört, das sie von Zeit zu Zeit eine Kanone abfeuerten?« Als Grant bestätigte, fuhr Mr. Watt fort: »Sie wußten auch, daß sie uns nicht treffen können, aber sie wollten andere Franzosen anlocken, die möglicherweise in der Nähe sind. Sie hoffen auch jetzt noch, daß uns einer in den Weg kommt und uns eine Weile aufhält oder daß eine Rah bei uns bricht. Bei Verfolgungen braucht man oft viel Geduld. Manchmal ist das eine Sache von Tagen. Darum will der Kommodore auch ein falsche Fährte legen.«
Als die Dunkelheit hereingebrochen war, zündeten sie achtern eine Laterne an und ließen sie halb verdeckt brennen, so, als sei etwas nicht richtig abgedunkelt. Am Floß wurde eine Talje angebracht, mit der man es über Bord heben konnte. Als eine große Wolke den schmalen Mond verhüllte, gab David den Befehl.
Auf dem Floß wurde die Lampe gezündet, jene am Achterdeck gelöscht. Die Talje hob das Floß backbord in die See. Sie zogen es noch einige Minuten hinter sich her, dann lösten sie die Verbindung und drehten scharf nach backbord ab. An Bord herrschte Grabesstille, und kein Licht durchbrach die Dunkelheit.
David stand auf dem Achterdeck, blickte kurze Zeit auf ihr Floß und suchte dann mit dem Nachtglas nach den Franzosen. Alex stand neben ihm und begann jetzt leise zu knurren. David fühlte, in welche Richtung er schnupperte, aber er konnte nichts sehen.
»Sie segeln dort in Kiellinie, Sir. Beim mittleren ist ein Geschützdeck nicht richtig abgedunkelt«, meldete einer der Nachtausgucke.
Nun konnte es David auch sehen. Die Franzosen segelten weiter auf dem alten Kurs in die Straße von Bonifacio hinein. Nach einer halben Stunde hörten sie Geschützdonner. »Jetzt zerstören sie unser Floß«, lachte Mr. Watt. »Vielleicht melden sie noch, sie hätten ein englisches Linienschiff versenkt.«
Am Vormittag des 10. Juli 1799 lag die Bucht von Neapel im hellen Sonnenschein wieder vor ihnen. »Schauen Sie nur, die Berge, die hellen Häuser, das dunkle Grün der Zypressen und dort der Ätna mit seiner Wolke, ist das nicht ein wunderschöner Anblick?« schwärmte Mr. Ballaine dem Reverend vor.
»Hoffen wir nur, daß sich der Anblick nicht furchtbar verdüstert, wenn wir näher kommen. Wie ich sehe, sind die Polaccas immer noch im Hafen«, entgegnete Mr. Pater.
Der Midshipman der Wache meldete: »Die königliche Flagge weht mit der Flagge von Admiral Nelson auf dem Flaggschiff, Sir.«
David wandte sich an Leutnant Everett, der Wache hatte. »Bereiten Sie bitte den Salut vor. Einundzwanzig Schuß, die festgesetzte Obergrenze. Da müssen wir uns nicht den Kopf zerbrechen, wieviel Schuß einem befreundeten Monarchen zustehen. Admiral und König zusammen überschreiten auf jeden Fall die Höchstgrenze.«
Die Schüsse von den Oberdeckkanonen hallten über die Bucht, als Mr. Watt freudig erregt auf David zulief. »Sehen Sie nur, Sir. Die Falcon kommt dort hinter dem Linienschiff in Sicht. Sie läuft auf uns zu und ist vollgestopft mit winkenden Menschen.«
David blickte hin. »Das sind die Besatzungen unserer drei Prisen. Wie hat Mr. Ross das nur geschafft, sie alle zu transportieren?«
Die Falcon näherte sich. Ein Boot mit den Leutnants Ross und Shield legte ab. Leutnant Ross wurde mit dem gebührenden Zeremoniell empfangen, aber die Neugier aller galt Leutnant Shield. »Alle Prisen wurden unbeschädigt abgeliefert, Sir. Die vorläufige Schätzung des Prisenagenten beläuft sich auf dreißigtausend Pfund, zuzüglich die erbeutete Kriegskasse.«
Disziplin hin, Disziplin her. Auf dem Achterdeck wurde geklatscht. David war unsicher, ob es richtig war, diesen irregulären Ausbruch zu dulden. Er räusperte sich und wollte Mr. Shield in seine Kajüte bitten, als Mr. Pater entsetzt rief: »O mein Gott, welche Schande, welches Unglück!«
Alle wandten sich um und starrten in die Richtung, in die sein Finger wies. Neapolitanische Soldaten schleppten mit Gewalt Männer und Frauen, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnten, von den Polaccas auf Boote und ruderten sie an Land. Dort schleppte der Pöbel sie an eine Reihe von
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