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Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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seine Opfer nicht nur getötet, sondern auch gegessen hat.
    Sie ist sehr allein, niemand in dieser verlassenen Stadt will sie mehr kennen. Sie streicht einsam durch die Straßen, schaut nicht nach links und nicht nach rechts. Sie will ihre Ruhe. Man kann sie verstehen, da doch die meisten Menschen der Stadt sie lieber hinter Gittern sehen würden, ebenso wie ihre Mutter. Sie spürt die vernichtenden Blicke der Mitmenschen, aus deren Augen nur Anklage höhnt. »Es haben ihr die jungen Mädchen wohl auch gefallen«, spottet man.

    Ein Polizeiberichterstatter weiß zu berichten: »Die ältere Schwester des Mörders, Nadeschda, arbeitet als Sekretärin bei einem Richter. Auch die Mutter hat eine Zeit lang dort gearbeitet. Sie waren tagsüber fast ständig im Büro der Staatsanwaltschaft und beim Gericht und haben bei Ermittlungsarbeiten geholfen. Sie haben Erfahrung in juristischen Dingen.
    Bei der Vertrautheit, die sie mit den Ermittlern hat, fürchten viele in der Stadt, dass die Aufklärung dieses Falles, speziell, was Nadeschda betrifft, verzögert wird.«
    Wer mag ergründen, was in dieser jungen Frau vor sich ging, als sie die jungen Mädchen sah, die in der Gewalt ihrer Familie waren? Vielleicht sah sie zu, wie ihr Bruder diese Mädchen vergewaltigte und demütigte bis zum Tode. Jedenfalls spricht alles dafür, dass sie in der Wohnung war, als es geschah.
    Es bleibt allein ihr Geheimnis, das Geheimnis einer einsamen jungen Frau in Nowokusnezk. Einer Frau, die unsagbare Qualen in ihrer Kindheit erdulden musste und doch eine gerechte Strafe hätte erhalten müssen.
    Vielleicht hat der örtliche Polizeibeamte Recht mit seiner Aussage: »Sie ist jung und hübsch, und sie weiß ihre Jugend einzusetzen. Offensichtlich ist die Lust auf eine junge Frau größer als der Gerechtigkeitssinn mancher Juristen dieses Landes. Unverständlich für die Bewohner dieser Stadt ist es trotzdem, dass diese Frau sich frei bewegen darf und nicht längst hinter Gittern sitzt wie die ganze Familie. Es ist eben alles verkorkst in diesem Land, nichts hat mehr seine Richtigkeit. Einmal ist es die Geilheit von Beamten, einmal die Geldgier der Politiker, die unser Land von innen zerstört.«

    Saschas erstes Verhör

    Einen Monat bevor man die drei Mädchen – die drei letzten Opfer Sascha Spesiwtsews – in der Schreckenswohnung findet, werden diese durch ihre Eltern bei der Polizei als vermisst gemeldet. Doch man nimmt die Anzeigen nicht einmal auf. Für die Polizei gibt es nur eine Erklärung: »Diese drei Mädchen sind von zu Hause ausgerissen. Die kommen bestimmt bald wieder heim.« So lautete der einzige Trost der Polizisten für die verzweifelten Eltern. Dabei sind über hundert Kinder in den letzten Jahren in dieser Stadt verschwunden – allesamt im Alter zwischen neun und fünfzehn Jahren, zumeist Mädchen.
    Mädchen, nach denen die Polizei nie gesucht hat.
    »Wir gehören zur sozialen Unterschicht«, sagt eine Mutter verbittert. »Deshalb haben die Polizisten unseren Vermisstenanzeigen damals keine Beachtung geschenkt.«

    In dieser Stadt der Vergessenen wurden die Mädchen der Begierde eines jungen Mannes ausgeliefert. Tag und Nacht zog ihr Mörder durch die Straßen, stöberte sie auf und lockte sie zu sich nach Hause.
    Nun weiß man, dass von den über hundert Kindern, die in den letzten Jahren verschwanden, mindestens neunzehn ermordet worden sind. Sascha Spesiwtsew hat akribisch Buch geführt. Daher kennt man ihre Namen – und man weiß, was er ihnen angetan hat. Er sammelte alles und bewahrte
    »Trophäen«, Ohrringe, Kettchen, Kleidungsstücke und sonstige Habseligkeiten seiner Opfer fein säuberlich auf. Dies sollte ihm nun, nachdem er in Gewahrsam war, zum Verhängnis werden.
    Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass die in der Wohnung sichergestellten Kettchen und Ohrringe der Kinder weitere Klarheit über die Identität der Opfer bringen werden.
    Spesiwtsews Aufzeichnungen beinhalten leider nur Vornamen, und die Staatsanwaltschaft zweifelt schwer an Saschas Bereitschaft zur Mitarbeit.
    Die schwere Eisentür der Zelle Nr. 25 wird geöffnet, und Sascha ist geblendet von dem Licht. Man merkt ihm an, dass er Angst hat vor dem, was nun auf ihn zukommen wird. Seit seiner Verhaftung hatte er nur Kontakt zu den Beamten der Vollzugsanstalt. Doch nun steht der leitende Staatsanwalt in der Tür und befiehlt: »Ziehen Sie sich an, wir fahren zum Verhör.«
    »Beeil dich!«, unterstreicht der Wärter die Aufforderung des

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