Der Kapuzenmörder
heimlichen Sünden ans Tageslicht kommen. Dann wäre da der Tod der Lady Somerville und natürlich der geheimnisvolle Brand im Hause des ehemaligen königlichen Kaplans Pater Benedict.« De Craon streckte sich und fuhr mit der Hand durch das schüttere rote Haar. »Was könnte es sonst noch geben?« fragte er in gespielter Nachdenklichkeit.
»Richard Puddlicott.«
De Craon klappte den Mund auf und wieder zu. »Ach ja, Puddlicott.«
»Ihr kennt Puddlicott?«
»Natürlich.« Der Franzose lächelte. »Ein bekannter englischer Verbrecher. Wie nennt Ihr ihn — einen Hochstapler? In Paris wird er von unserem Provost gesucht, genau wie in London Euer Sheriff nach ihm fahndet.«
»Aus welchem Grund?«
»Aus den gleichen Gründen wie in London.«
»Warum«, fragte Corbett langsam, »hat man dann gesehen, wie Puddlicott vom vertrautesten Berater Eures Königs, von Master William Nogaret, bewirtet wurde?«
De Craon ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Puddlicott ist ein Verbrecher, aber ein wertvoller. Er verkauft uns Geheimnisse. Was er denkt, sind wertvolle Informationen. Euer Herr kauft sicher auch Geheimnisse von französischen Verrätern.«
Corbett hörte ein Geräusch und erhob sich. Das stille, verstaubte Haus machte ihn nervös. Er drehte sich um und schaute zur Tür. Ein Fremder kam herein wie ein Schatten. »Ah, Raoul.« De Craon ging um den Tisch herum. »Master Corbett — oder, besser gesagt, Sir Hugh Corbett, darf ich Euch Raoul vorstellen, den Vicomte de Nevers, König Philipps Sondergesandten in Flandern und den Niederlanden?« De Nevers schüttelte Corbett freundlich die Hand, und der Sekretär fand sofort Gefallen an ihm. Er ähnelte Maltote, war aber schlanker, schmaler; sein Haar war blond und seine Züge regelmäßig und ziemlich knabenhaft, wenngleich Corbett der gewiefte Blick und der feste Zug um Mund und Kinn nicht entgingen. Er hatte einen lässigen Charme und eine freimütige! offene Haltung, die in scharfem Kontrast zu der verschlagenen Falschheit de Craons stand.
»Ehe Ihr fragt, weshalb Raoul in England ist«, sagte de Craon, »will ich gleich ehrlich sein. Im kommenden Frühjahr will König Philipp gegen Flandern marschieren. Er hat dort gewisse Rechte, die...«
»Die König Edward nicht anerkennt«, unterbrach Corbett. »Wohl wahr«, bestätigte de Nevers in gebrochenem Englisch. »Aber unser Herr möchte die flämischen Kaufleute im Auge behalten. Wir wissen, daß sie nach London kommen. Wir beobachten, was sie tun, und wir erklären Eurem König, wie schlecht beraten er wäre, wenn er diesen Kaufleuten Trost oder Beistand gäbe.«
Corbett starrte die beiden an. Vielleicht sagten sie wenigstens teilweise die Wahrheit, und de Nevers erschien glaubhafter als de Craon. Englische Gesandte behielten schottische Kaufleute in Paris im Auge; warum also sollten die Franzosen keine flämischen Kaufleute in London beobachten? Corbett griff nach seinem Mantel.
»Monsieur de Craon, Monsieur de Nevers, ich wünsche Euch einen sicheren Aufenthalt in London, aber ich bringe Euch auch eine Warnung von meinem Herrn. Euch schützt ein sicheres Geleit, Monsieur de Craon, aber Ihr kennt die Spielregeln. Ertappt man Euch dabei, daß Ihr Euch in Dinge einmischt, von denen Ihr die Finger lassen solltet, dann werde ich Euch persönlich zum nächsten Hafen eskortieren und nach Frankreich zurückschicken.« Mit einer flüchtigen Verbeugung ging Corbett hinaus, ehe die beiden etwas erwidern konnten.
Als er auf der Straße stand, seufzte er erleichtert. Er war froh, daß er de Craon und seinen Kumpan überrascht hatte; sicher waren sie an irgendeiner Schurkerei beteiligt, aber nur die Zeit würde zeigen, worum es sich handelte. Er suchte sich seinen Weg um die Abfallhaufen und warf einen verwunderten Blick auf den leeren Müllkarren auf der anderen Straßenseite, vor den ein müde aussehendes Pferd gespannt war. Dann sah er sich nach de Craons Haus um. Etwas stimmte hier nicht, aber er wußte nicht, was. Er hatte irgendeine Kleinigkeit gesehen, die nicht ins Bild paßte. Er zuckte die Achseln. »Die Zeit wird es erweisen«, brummte er.
Er blickte die Straße hinauf und hinunter und sah die Müllhaufen, die sich hoch zu beiden Seiten der Gosse türmten; vorsichtigen Schritts ging er die Straße hinunter und hielt wachsam die Augen offen, denn immer wieder flogen in den oberen Stockwerken plötzlich die Fenster auf, und der Inhalt der Nachttöpfe wurde ausgekippt und durchnäßte Pflaster und
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