Der Kapuzenmörder
Queenshite ein Boot und fuhren den Fluß hinauf; am Zollhaus beim Wollkai gingen sie an Land. Sie gingen am Fluß entlang, vorbei an den dunklen Massen des mächtigen Tower und hinaus in die freien Felder, auf die Lichter des Spitals von St. Katherine zu. Ranulf war schweigsam; er schmollte, denn es machte ihr immer Spaß, seinen Herrn auszuhorchen, und da half es nicht, wenn Maltote sich so eitel aufplusterte.
Bei St. Katherine ließ ein Pförtner sie ein und führte sie zu der kleinen Kirche neben dem Hauptgebäude des Spitals.
»Hier treffen sich die Schwestern immer«, erklärte er. »Ich glaube, sie sind schon da.«
Corbett zog die Tür auf und betrat den Vorraum. Es war eine einfache Kirche: ein langes, schmales, gewölbtes Kirchenschiff unter dem hochaufgeschwungenen Stichbalkendach, ein Kanzelgitter am vorderen Ende, dicke runde Säulen zu beiden Seiten des Mittelschiffs. Die meisten Schwestern waren bereits versammelt. Zunächst wurden Corbett und seine Begleiter nicht beachtet; die Damen huschten umher, zündeten Kohlebecken an und stellten lange Tische auf Holzböcken zusammen. Darauf stapelten sie saubere Kleider und schnitten lange Brotlaibe auf; sie stellten Salzschalen, Teller mit Dörrfleisch und Schüsseln mit in Scheiben geschnittenen und gezuckerten Äpfeln und Birnen auf. Lady Fitzwarren kam durch eine Seitentür herein, lächelte und winkte ihnen zu. Hinter ihr kam Lady Mary und schaute Ranulf scheu an.
»Ihr seid hier, um unsere Arbeit zu sehen, Sir Hugh?«
»Ja, Madam. Aber auch, um ein paar Fragen zu stellen.«
Lady Fitzwarrens Lächeln verblaßte. »Wenn ich soweit bin! Wenn ich soweit bin!« fauchte sie. »Die Weinkrüge sind noch nicht aufgestellt. Ich glaube, das Wetter schlägt um, und wir könnten heute abend viel zu tun bekommen.«
Corbett und seine Gefährten mußten sich auf eine Bank setzen und warten, bis Lady Fitzwarren und Lady Mary endlich zu ihnen kamen.
»Nun, Sir Hugh, was für Fragen habt Ihr denn noch an uns?« Corbett merkte ihrem Ton an, daß sie verdrossen war. »Erstens, Lady Mary, wart Ihr mit Lady Somerville am Abend ihres Todes zusammen?«
Die Frau nickte.
»Und wann habt Ihr St. Bartholomew verlassen?«
»Etwa eine Viertelstunde nach Lady Somerville.«
»Euch ist nichts aufgefallen?«
»Überhaupt nichts. Es war ja stockdunkel. Ich habe mir einen Jungen gemietet, der mir die Fackel trug, und bin heim nach Farringdon gegangen.«
»Lady Fitzwarren, kanntet Ihr die toten Mädchen?«
»Einige, aber Ihr müßt bedenken, daß die Opfer alle kleine Kurtisanen waren. Wir kommen eher mit den allerniedrigsten Dirnen zusammen.«
»Kanntet Ihr Agnes, das Mädchen, das in der Kirche bei Grey Friars ermordet wurde?«
»Ja, und es ist seltsam, daß Ihr sie erwähnt. Nach ihrem Tod bekam ich von jemandem, der sie kannte, eine verworrene Botschaft; sie hatte mit mir sprechen wollen.«
»Wer hat Euch diese Botschaft überbracht?«
Lady Fitzwarren schüttelte den Kopf. »Ich komme mit so vielen Mädchen zusammen... es war eine von ihnen.«
»Aber dieses Treffen hat nicht stattgefunden?«
»Natürlich nicht.«
»Gibt es sonst noch etwas, Lady Catherine?«
»Was denn zum Beispiel?«
»Nun, Ihr kommt im Kapitelhaus von Westminster zusammen. Habt Ihr in der Abtei oder im Palast etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
»Nun, beide sind ziemlich verlassen«, warf Lady Mary ein. »Der alte Abt ist krank, und einen Prior haben sie nicht. Der König sollte wirklich nach Westminster zurückkommen.« Lady Fitzwarren schaute ihre Gefährtin und dann Corbett an. »Sir Hugh, ich glaube, es gibt da etwas, das Ihr wissen solltet.« Die Frau senkte die Stimme, als Lady de Lacey in die Kirche gerauscht kam wie ein frischer Maienwind. »Vor über einem Jahr«, fuhr Lady Fitzwarren halb flüsternd fort, »kurz, nachdem diese schrecklichen Morde begonnen hatten, kam Lady Mary ein Gerücht zu Ohren, eine Geschichte, die unter den Straßendirnen und Kurtisanen die Runde machte: Daß bestimmte Mädchen in die Abtei — oder, besser gesagt, in den Palast — geholt worden seien, zu Festen und ausgelassenem Treiben, das die ganze Nacht hindurch dauerte.« Die Frau zuckte die Achseln. »Ihr wißt, wie das ist, Sir Hugh. Es kommt immer wieder vor. Königliche Paläste stehen oft leer, vor allem in Kriegszeiten. Die Verwalter und Beamten werden faul und wollen sich auf Kosten der Höhergestellten amüsieren.« Sie lächelte schmal. »Ich glaube, sogar Christus hat Gleichnisse darüber erzählt.«
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