Der Kapuzenmörder
Lady Fitzwarren schaute über die Schulter und winkte Lady de Lacey zu, die sie gerufen hatte. »Mehr weiß ich nicht, Sir Hugh. Aber sagt mir, habt Ihr eine Ahnung, wer für diese schrecklichen Mordtaten verantwortlich ist?«
»Nein, Mylady. Doch ich hoffe, ich kann verhindern, daß weitere geschehen.«
»In diesem Fall wünsche ich Euch alles Gute, Sekretär.«
»Ach — Lady Catherine?«
»Ja?«
»Wißt Ihr oder Lady Mary etwas über den französischen Gesandten, Sir Amaury de Craon? Oder über einen Mann namens Puddlicott?«
Beide Frauen schüttelten den Kopf.
»De Craon sagt mir nichts«, antwortete Lady Fitzwarren rasch. »Aber von Puddlicott habe ich gehört. Er ist ein Schurke, ein Hochstapler. Einige Straßenmädchen sprechen mit soviel Ehrfurcht und Hochachtung von ihm, wie ich vom König sprechen würde.«
Corbett nickte und sah den beiden Frauen nach, als sie davongingen. Dann setzte er sich auf eine Bank und warf einen Blick zu Ranulf hinüber, der blind und taub für alles außer Lady Mary Neville zu sein schien. Corbett blinzelte und schaute weg. Er hatte Ranulf schon betrunken gesehen, hütend, traurig, geil, weinerlich — aber noch nie liebeskrank. Er fand es immer noch schwer, zu akzeptieren, daß Ranulf sich so verliebt haben sollte. Corbett seufzte und lenkte seine Gedanken auf das, was er soeben erfahren hatte. Alles deutete darauf hin, daß in Westminster etwas nicht stimmte. Lady Fitzwarren hatte recht: Es war nichts Besonderes, daß Beamte in leeren Königspalästen sich die Zeit mit ausgelassenen Festen vertrieben — einmal hatte er als Marschall des königlichen Hofstaats dafür gesorgt, daß solche Missetäter vor Gericht gestellt wurden —, aber lag die Erklärung dieser schrecklichen Morde in solchen Festen? Hatten die Mönche von Westminster sich an diesen nächtlichen Orgien beteiligt? War etwas passiert, und hatte man die Morde begangen, um lockere Zungen und Skandalgetuschel zum Schweigen zu bringen?
Die Tür des Spitals öffnete sich langsam, und Corbett starrte sprachlos die beiden alten Weiber an, die da in die Kirche geschlurft kamen. Ihre zerlumpten Kleider bedeckten kaum die ausgemergelten Körper, ihr Haar war dünn und strähnig, und sie sahen aus wie Zwillingshexen mit ihren Hakennasen, ihren Triefaugen und den schlaffen, sabbernden Mündern. Schnatternd und gackernd wie Schwachsinnige schlichen sie auf die Tische zu, rafften Brotbrocken an sich und tranken schlürfend aus den zinnernen Weinbechern. Der Gestank ihrer ungewaschenen Leiber riß sogar Ranulf aus seinen Tagträumen.
»Gütiger Herrgott!« murmelte er. »Wir brauchen nicht bis zum Tod zu warten, Master, um Visionen der Hölle zu sehen.«
Lady de Lacey bemerkte ihren Ekel und kam herüber.
»Master Corbett, für wie alt würdet Ihr diese Frauen halten?«
»Das sind uralte Mütterchen.«
»Nein, nein. Beide sind noch nicht einmal fünfunddreißig. Es sind Straßendirnen, zerschlagen und vorzeitig alt, in Krankheit verfaulend, die weggeworfenen Gegenstände männlicher Lust.«
Corbett schüttelte den Kopf. »Ich muß widersprechen.«
»Was meint Ihr? Männer haben sie ausgebeutet!«
»Und sie haben die Männer ausgebeutet — wenngleich ich annehme, daß die Männer eine Wahl hatten, sie aber nicht.« Lady de Lacey schaute ihn durchdringend an.
»Sogenannte >gute Männer< haben diese Frauen benutzt«, fuhr Corbett fort. »Aufrechte Bürger, Ratsherren, die in Gildenprozessionen mitmarschieren, die am Sonntag zur Messe gehen, Arm in Arm mit ihren Gattinnen, während die Kinder vor ihnen herlaufen.« Corbett zuckte die Achseln. »Und solche Männer sind Lügner, und ihre Ehen ein leerer Schein.«
»Das sind die meisten Ehen«, versetzte Lady Imelda. »Eine Frau ist wie eine Ware, ein Stück Land, ein Besitz, ein Pferd, eine Kuh, ein Flußlauf.«
Corbett dachte an Maeve und grinste. »Nicht alle Frauen.«
»Die Kirche sagt es aber. Gratian hat geschrieben: Alle Frauen sind ihren Männern untertan. Sie sind ihr Besitz!«
»Das Gesetz von England«, entgegnete Corbett, »sagt, daß einer, der sich des Verrats schuldig gemacht hat, gehängt, gestreckt und gevierteilt werden soll, aber das heißt noch lange nicht, daß es richtig ist.« Er sah Lady de Lacey an und lächelte. »Ihr solltet St. Bonaventura lesen, Mylady. Der sagt, zwischen Mann und Frau sollte es eine Freundschaft geben, die einzigartig ist in der Welt.«
Lady Imeldas hartes Gesicht erstrahlte in einem echten Lächeln. »Ach ja«,
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