Der Kapuzenmörder
daß es in den Räumen ziemlich dunkel war, daß die Speisen aufgetragen wurden, daß es Wein gab und — was das Wichtigste war —, daß wir bei Tagesanbruch den Palast verließen und von einer Barke den Fluß hinaufgefahren wurden.«
»Weißt du, wer das war?«
»Nein. Aber man nannte ihn den >Seigneur<.«
»Und woher wußtest du, daß Mönche dabei waren?«
Das Mädchen lachte. »Sir Hugh, ich weiß vielleicht sonst nicht viel, aber wenn man auf den Straßen von London arbeitet, dann lernt man über Männer bald genug, um tausend Pergamente damit vollzuschreiben.« Sie zuckte die Achseln. »Es war dunkel, aber die Körper dieser Männer waren verweichlicht und gut genährt. Außerdem« — sie kicherte — »haben Mönche Tonsuren.«
Corbett grinste. »Es wurde also getrunken, gegessen, getanzt und...«
»Ja«, unterbrach ihn das Mädchen lächelnd. »Und das andere. Wir gingen paarweise auseinander, und dann wurde ins Horn gestoßen, frisches Fleisch und volle Becher wurden aufgetragen, und das Feiern ging weiter bis in die frühen Morgenstunden.«
»Du sagst, das war vor einem Jahr. Warum hat es aufgehört?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich glaube nur, der Seigneur hat ein paar andere Mädchen ausgesucht.«
»Ah!« Corbett richtete sich auf. »Natürlich: Für den Fall, daß du oder deine Kolleginnen irgendwann allzuviel wußten.«
»Aber warum«, unterbrach Cade, »hat niemand den Behörden die Sache angezeigt?«
Das Mädchen sah ihn mitleidig an. »Alexander«, sagte sie, »du bist ein guter Mann, aber ein solcher Dummkopf. Wer sollte es denn anzeigen? Der Seigneur und sein Zirkel? Oder die Mädchen, die damit auf gutes Geld, auf Essen und Trinken verzichtet hätten? Wer würde das wagen?« Sie warf den Kopf in den Nacken. »Und, wie du schon sagtest, Alexander, wer würde uns denn glauben, uns Huren und Dirnen?«
Corbett trat an das kleine Fenster und schaute hinaus zu Ranulf und Maltote, die im grünen Klostergarten saßen und sich in der Morgensonne wärmten; sie lachten und kicherten über ihre Großtaten vom vergangenen Abend.
»Was du da sagst, Judith«, schloß er, »klingt einleuchtend. Du glaubst, daß Mönche aus der Abtei an diesen nächtlichen Ausschweifungen beteiligt waren. Vielleicht wurde einer von ihnen unruhig, fühlte sich gar bedroht und beschloß, zu beseitigen, was ihn belasten könnte.«
Das Mädchen nickte. »Ich nehme es an«, sagte sie. »Aber es gibt vielleicht mehr als nur einen Mörder, Sir Hugh. Die Morde sind überall in der Stadt passiert.«
»Mag sein«, antwortete Corbett. »Doch alles, was du sagst, Judith, paßt ins Bild. Zuerst Lady Somerville.« Er sah das Mädchen an. »Sie gehörte den Schwestern der Hl. Martha an, und sie wurde in Smithfield brutal ermordet. Du hast von den guten Schwestern schon gehört?«
Judith nickte.
»Sie hatte eine sehr schlechte Meinung von Mönchen«, fuhr Corbett fort. »Sie zitierte immer das Sprichwort >Die Kutte macht noch keinen Mönch<, und sie hat ein paar ziemlich grobe Karikaturen von ihnen gezeichnet. Vielleicht wußte sie von diesen Orgien und mußte zum Schweigen gebracht werden? Zweitens habe ich mich gefragt, wie der Mörder sich unbeobachtet durch die ganze Stadt schleichen konnte — aber freilich, wer würde einen Mönch anhalten und ausfragen? Drittens hat man gesehen, wie ein Mönch das Haus betrat, in dem eines der Opfer gefunden wurde. Und schließlich: Zu einem Mönch hat jeder Vertrauen, und deshalb haben die Opfer den Mörder stets nah an sich herankommen lassen.« Corbett starrte aus dem Fenster in den sonnenüberstrahlten Klostergarten. Natürlich, dachte er, paßte das alles auch zu dem, was Bruder Thomas gesagt hatte: Vielleicht ermordete dieser Mönch die Mädchen nicht nur, um sie zum Schweigen zu bringen, sondern weil er ein schlechtes Gewissen hatte und glaubte, er könne für seine Sünden büßen, indem er ihr Blut vergoß. Was der alte, verrückte Bettler gesagt hatte, ergab jetzt auch einen Sinn: Die knorrigen Zehen des Teufels waren in Wirklichkeit die bloßen Füße eines Mönchs in Sandalen. Und natürlich würde Lady Somerville im Dunkeln stehenbleiben und einen Mönch begrüßen, der ihr nacheilte.
»Und Pater Benedict!« warf Cade aufgeregt ein. »Der alte Priester mußte sterben, weil er etwas von den nächtlichen Orgien der Mönche gesehen oder gehört hatte. Deshalb wollte er mich sprechen. Und deshalb wurde er ermordet!« Corbett lehnte sich an die Wand und nickte. Aber warum,
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