Der Kapuzenmörder
an die frische Luft.
»Ich stimme Euch zu, Priester!« rief er. »Der Anblick von siebzehn solcher Leichen würde selbst die Geduld eines Heiligen auf eine harte Probe stellen.«
Der Priester, der seit ihrer letzten Begegnung vor Corbett auf der Hut war, schüttelte den Kopf.
»Sechzehn!« quiekte er. »Sie ist die sechzehnte.«
Corbett sah, daß Cade plötzlich erbleichte.
»Nein, nein«, beharrte er. »Sie ist das siebzehnte Opfer — oder das achtzehnte, wenn wir Lady Somerville mitzählen.«
Der Priester zuckte die Achseln und watschelte in sein Haus. Als er zurückkam, hatte er ein großes, purpurn gefärbtes Registerbuch dabei.
»Das ist das Bestattungsregister der Kirche«, erklärte er und schlug die vergilbten Seiten auf. Er blätterte nach hinten. »Hier sind die, die ein Armengrab bekommen haben, ich habe die Namen der Opfer mit Sternen markiert — die Huren, die in den letzten Monaten ermordet wurden.«
Corbett nahm das Buch zur Hand und überflog die jammervollen Eintragungen. Ein alter Mann, der am Pranger gestorben war, ein Junge, der vom Glockenstuhl gefallen war, ein Kesselflicker, der in der Floodgate Lane erschlagen worden war. Dazwischen standen, mit einem Stern vor jedem Namen, die ermordeten Prostituierten. Corbett ging davon, ohne auf die Proteste des Priesters zu achten. Er legte das Buch auf einen bröckelnden Grabstein, zog die Liste der Opfer, die er vom Untersheriff bekommen hatte, aus der Tasche und machte sich daran, beides miteinander zu vergleichen. Cade stand weit im Hintergrund und hatte allem den Rücken zugekehrt, und Maltote und Ranulf lehnten an der Mauer und betrachteten die aufgehende Sonne. Corbett prüfte beide Listen sorgfältig. Dann klappte er das Buch zu und gab es dem Priester zurück.
»Ich danke Euch, Pater. Ihr werdet wahrscheinlich niemals wissen, wie wertvoll dieses Buch ist. Ranulf! Maltote!« rief er. »Ihr bleibt, wo ihr seid. Master Cade, Ihr kommt mit mir.« Während der Priester sich verdrückte, ging Corbett mit Cade hinten um die Kirche herum. Kaum waren sie allein, da stieß er den Untersheriff an die Mauer, packte ihn mit der einen Hand bei der Kehle und drückte ihm mit der anderen die Dolchspitze in die weiche Haut unter dem rechten Ohr.
»So, Master Cade«, flüsterte er. »Keine Lügen, keine Märchen. Was war hier los, he? Nach Eurer Liste soll eine Hure namens Judith, wohnhaft in der Floodgate Lane, vor sechs Wochen ermordet worden sein!«
Der Untersheriff klappte den Mund auf und zu. Corbett schlug seinen Hinterkopf sanft gegen die Mauer.
»Lügt jetzt nicht, Master Cade. Ihr seid für alle Bestattungen verantwortlich. Was ist aus dem Leichnam dieser Frau geworden?« Corbett lächelte schmal. »Ach, übrigens seid Ihr bei den Dirnen der Stadt wohlbekannt.«
Cade schnappte nach Luft. »Ich sag’s Euch«, knirschte er. »Nehmt die Hand weg und steckt Euer Messer ein, Sir Hugh. Früher oder später kommt die Wahrheit ja doch an den Tag.« Corbett schob den Dolch in die Scheide und steckte ihn ein, als plötzlich Maltote und Ranulf erschienen.
»Ich habe euch gesagt, ihr sollt warten!« rief Corbett. »Jetzt geht zurück.«
Der Untersheriff rieb sich den Hals und setzte sich auf ein steinernes Sims, das aus der Kirchenmauer hervorragte.
»Ja, ja«, begann er, »ich kannte einige der ermordeten Mädchen. Ich bin Junggeselle, Sir Hugh. Ich habe nichts als die Kleider, die ich am Leibe trage, und die Einkünfte aus meinem Amt. Ich nehme keine Bestechungsgelder, ich drücke nie ein Auge zu, aber wie jeder andere Mann werde ich manchmal einsam. Mein Blut gerät ins Kochen, und ein hübsches Gesicht und ein weicher Körper, irgendein Gesicht, irgendein Körper, sind mir dann Trost genug. Ich kannte das letzte Mädchen, Hawisa, und auch andere: Mabel, Rosamund, Gennora. Aber Judith war mir die liebste. Seht Ihr, Master Corbett, sie wurde überfallen, aber nicht ermordet. Ich habe sie versorgt, aber dann habe ich ihren Namen auf die Liste gesetzt, um sie zu schützen.«
»Ihr habt was?« Corbett verschlug es die Sprache. »Soll das heißen, es gibt ein Mädchen, das einen Überfall des wahnsinnigen Mörders überlebt hat?«
»Sie hat kaum etwas gesehen«, murmelte der Untersheriff, »Sie hatte Angst. Sie hat damit gedroht, anderen zu erzählen, was sie über mich und andere städtische Beamte wisse, wenn man sie nicht schützte.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Ich habe sie bei den Minoritinnen am Tower untergebracht. Die guten Schwestern
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