Der Kapuzenmörder
dachte er, wurden diese verbotenen Feste gefeiert? Und wer war der Seigneur? William von Senche war es nicht, hatte das Mädchen gesagt. Vielleicht der Sakristan, Adam von Warfield? Aber warum, warum, warum? Corbett starrte ins Gras hinunter. Der Tau funkelte wie Diamanten. Plötzlich überlief es ihn eiskalt.
»Natürlich!« rief er. »Natürlich!«
Er trat auf das Mädchen zu und packte es fest beim Handgelenk. »Kannst du mir sonst noch irgend etwas erzählen?«
»Nein, Sir. Ich habe alles gesagt, was ich weiß.«
»Gut, dann bleibst du jetzt hier. Cade, Ihr kommt mit!«
Corbett ging eilig zu Ranulf und Maltote in den Kreuzgang hinaus.
»Ranulf! Maltote! Kommt! Sitzt nicht herum wie zwei liebes-kranke Knaben, während Verrat und Mord ihr Unwesen treiben!«
Die beiden Männer hasteten hinter ihm her wie zwei Kaninchen. Corbett verabschiedete sich hastig von der überraschten Mutter Oberin, holte sein Pferd und galoppierte zum Klostertor hinaus, als sei ihm der Teufel auf den Fersen.
Sie ritten die gewundenen Straßen entlang und hielten erst an, als sie das Gewirr der engen Gassen von Petty Wales am Tower erreicht hatten. An der Schenke zum Goldenen Türken stiegen sie ab.
»Für Euch gibt’s nichts zu trinken, Master Cade. Ihr habt zu arbeiten.« Corbett zog eine Vollmacht aus der Tasche. »Geht damit zum Constable des Tower. Überbringt ihm beste Empfehlungen von Sir Hugh Corbett, dem Bewahrer des königlichen Geheimsiegels, und sagt ihm, ich brauche in einer Stunde drei Barken am Wollkai. Eine für uns, und die beiden anderen vollbesetzt mit königlichen Bogenschützen. Ich will Veteranen, gute Männer, die jeden Befehl aus führen, den ich ihnen erteile. Nein« — er schüttelte den Kopf, als er das Gesicht des Untersheriffs sah —, »keine Erklärungen jetzt. Tut, was ich sage, und kommt zurück, wenn alles soweit ist.«
Er blieb stehen und sah Cade nach, als er davonging. »Master, was ist denn passiert?«
»Vorläufig noch gar nichts, Ranulf. Ich habe Hunger. Ich möchte etwas essen. Ihr könnt gern mitkommen.«
In der Schenke überließ er Ranulf und Maltote sich selbst und bat den glatzköpfigen Wirt mit der speckigen Schürze, ihm eine Kammer zu geben.
»Ich möchte allein sein«, erklärte er. »Bring mir einen Becher Wein.« Er schnupperte, denn aus der Küche duftete es appetitlich. »Was kochst du da, Wirt?«
»Fleischpasteten.«
»Zwei davon!« Corbett nickte dem überraschten Ranulf zu und folgte dem Wirt die Treppe hinauf.
Die kleine Schlafkammer war sauber, ordentlich und gut gefegt. Eine Weile lag Corbett auf dem kleinen, niedrigen Bett und starrte zur Decke. Dann kehrte der Wirt mit einem Tablett mit Pasteten und Wein zurück. Corbett aß und trank hungrig und bemühte sich, seine Erregung im Zaum zu halten; endlich hatte er einen Weg gefunden, der ihn voranbrachte. Er entrollte das Pergament, das Cade ihm gegeben hatte, und studierte die Erkenntnisse, die die Schreiber über Richard Puddlicott zusammengetragen hatten. Ihnen zufolge konnte Puddlicott auf eine ziemlich lange und abwechslungsreiche Verbrecherlaufbahn zurückblicken. Er war in Norwich geboren und hatte sich als Student hervorgetan; er hatte die Universität in Cambridge besucht, ein Examen abgelegt und die niederen Weihen der Geistlichkeit empfangen. Dann aber hatte er das Dasein eines Amtsschreibers gegen das profitablere Leben eines Kaufmanns eingetauscht und mit Wolle, Käse und Butter gehandelt. Eine Zeitlang hatte er das Ausland bereist und Gent und Brügge besucht, aber dort hatte sich sein Geschick zum Schlechten gewendet. Die Engländer hatten die Rückzahlung von Darlehen, die sie von den Kaufleuten von Brügge bekommen hatten, nicht einhalten können, und Puddlicott war einer von denen gewesen, die zur Vergeltung dafür festgehalten worden waren und in einem flandrischen Gefängnis hatten schmachten müssen. Schließlich war er entflohen; dabei hatte er zwei Wärter ermordet und hegte seitdem einen schwärenden Groll gegen Edward von England.
Puddlicott war nach London zurückgekehrt und hatte die Laufbahn eines Verbrechers eingeschlagen. Er beschwindelte ein paar Goldschmiede in der Cheapside, betrog einen Bankier aus der Lombard Street und stahl Wertsachen aus Kirchen. Doch seine eigentliche Begabung war die Hochstapelei; er konnte sich nach Belieben für alles mögliche ausgeben und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Geld erschwindeln. Mehrmals hatten die Gesetzeshüter ihn festnehmen können,
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