Der Kapuzenmörder
kümmern sich um sie.« Cade wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Das heißt, bis ich genug Geld habe, um sie in den Süden zu schicken, in einen der Cinque Ports.«
»Tja, Master Cade, dann gehen wir am besten mal hin.«
Sie holten Ranulf und Maltote, die ratlos warteten, und begaben sich hinunter zum Rathaus, um Pferde auszuleihen. Dann setzten sie ihren Weg durch die allmählich erwachenden Straßen nach Aldersgate und hinaus aufs offene Land fort. Sie wandten sich nach Süden und gelangten durch üppige Felder und an Milchbauernhöfen vorbei zu dem großen grauen Steingebäude der Minoritinnen, das sich zwischen Wälder und Felder schmiegte.
Die Schwestern folgten der Ordensregel der hl. Klara. Sie hießen sie freundlich willkommen, denn sie freuten sich immer über Besucher, vor allem, wenn sie männlich waren. Sie umhegten und umgluckten Corbetts Schar wie ein paar Hühner. Der Sekretär mußte ihnen die üblichen Höflichkeiten erweisen und mit ihnen im kleinen Refektorium Brot und Ale zu sich nehmen, bevor Cade bat, in einem ihrer Gästezimmer »seine liebe Schwester Judith« sehen zu dürfen.
Die guten Schwestern waren einverstanden, aber Corbett entging nicht, daß sie kokette Blicke wechselten und verstohlen lächelten. Was immer der Untersheriff behaupten mochte, die Nonnen waren nicht so unschuldig, wie sie aussahen, und schienen durchaus zu ahnen, was Judiths wahrer Beruf war. Gleich schickten sie eine junge Novizin zu dem Mädchen, um es auf den Besuch vorzubereiten. Ranulf und Maltote blieben mit dem strengen Befehl, sich anständig zu benehmen, im Klostergarten zurück, und Corbett und Cade gingen in die weißgekalkte Zelle, in der Judith sie erwartete. Sie war ein rundliches, rothaariges, freundlich aussehendes Mädchen in einem dunkelbraunen, am Hals zugebundenen Kittel. Sie begrüßte Cade warmherzig, küßte ihn auf beide Wangen und drückte seine Hände, aber die dunklen Augenringe verrieten, daß sie in banger Sorge war.
»Die Nonnen halten mich immer noch für deine Schwester«, sagte sie keck.
»Und warum, glauben sie, bist du hier?« fragte Corbett.
»Ihr wißt, wer ich bin, Sir, aber wer seid Ihr?« fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
Corbett bat lächelnd um Entschuldigung und stellte sich vor. »Und meine Frage?« beharrte er dann.
»Die Nonnen«, warf Cade ein, »glauben, daß Judith meine Schwester ist und von einem Einbrecher überfallen wurde.«
»Und in Wirklichkeit...«
Das Mädchen lächelte und schlug die Augen nieder. »Ich bin Master Cades Hure«, gestand sie. »Ich hatte eine Kammer über einem Laden in der Floodgate Lane. Master Cade besuchte mich dort immer. Ich hatte auch noch andere Freunde.« Sie hob die Stimme, und man hörte den Unterton eines singenden Akzents. »Ich konnte ein gutes Leben führen. Von den Morden hatte ich wohl gehört, aber ich dachte, da nimmt jemand für irgend etwas Rache.« Sie setzte sich auf den einzigen Schemel. »Und dann, eines Nachts«, fuhr sie fort, »kam ich spät nach Hause und ging die Außentreppe zu meiner Kammer hinauf. Ich ließ oft für meine Katze die Tür auf. Ich ging hinein und zündete eine Kerze an. Ich hatte einen großen Schrank, den ein Tischler mir geschenkt hatte, für meine Kleider. Jetzt hörte ich ein Geräusch, und weil ich die Katze nirgends sah, dachte ich, das arme Tier hätte sich darin eingesperrt.« Judith verstummte und verschränkte die Finger ineinander. »Ich werde das nie vergessen«, wisperte sie dann. »Ich nahm die Kerze in die Hand und machte die Schranktür auf. Ich glaube, die Kerze hat mich gerettet. Eine dunkle Gestalt kam hervor, Stahl blinkte, und als ich zurückwich, schnitt mich das Messer.« Das Mädchen löste die Bänder am Hals und zog den Kittel herunter. Man sah einen langen, rot entzündeten Schnitt unterhalb des Halses, von einer Schulter zur anderen. »Das Blut spritzte heraus, und ich schrie, und dann wurde ich ohnmächtig. Jemand muß mich gehört haben. Man rief Master Cade.« Sie sah Corbett an. »Ich nehme an, den Rest wißt Ihr?«
»Ich hielt es für das Beste, den Mörder glauben zu machen, sie sei tot«, ergänzte Cade.
»Dann mußt du etwas gesehen haben«, folgerte Corbett.
Das Mädchen verzog das Gesicht. »Aber wer würde mir glauben?«
»Was hast du gesehen?«
»Ich konnte nur einen kurzen Blick auf die Gestalt werfen, aber ich glaube, es war ein Mönch.«
»Wieso?«
»Er war in einen Umhang gehüllt und trug eine Kapuze, aber Ihr
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