Der Kardinal im Kreml
und von Agenten nahm man halt, was man bekam. Immerhin trug sie dem britischen Geheimdienst auch Klatsch zu, den sie von ihrem Vater aufschnappte.
Nun aber stimmte etwas nicht mit Swetlana Wanejewa. Sie war von ihrem Arbeitsplatz verschwunden und wieder zurückgekehrt; die CIA war der Ansicht, sie sei in der Zwischenzeit vermutlich im Lefortowo-Gefängnis verhört worden. Das fand McClintock sonderbar. Wer erst einmal im Lefortowo war, kam nicht schon nach zwei Tagen wieder heraus. Es war etwas sehr Seltsames passiert, und McClintock hatte eine Woche gewartet, bis er herauszufinden versuchte, was es gewesen war. Von Swetlanas toten Briefkästen hielt man sich nun natürlich fern.
Jetzt aber, da er eine Delegation durch die Textilabteilung der staatlichen Planungsbehörde führte, hatte er eine Chance. Swetlana schaute auf und sah die Ausländer vorbeigehen. McClintock fragte sie wie gewöhnlich mit einer unauffälligen Geste ab. Zur Antwort sollte sie eine Schublade öffnen und entweder einen Bleistift oder einen Kugelschreiber herausholen. Ein Bleistift bedeutete âºalles klarâ¹, ein Kugelschreiber eine Warnung. Er muÃte damit rechnen, daà sie gebrochen und ausgequetscht worden war, erwartete aber wenigstens eine Reaktion. Swetlana aber tat nichts, sondern wandte sich wieder ihrer Akte zu.
Ihren Gesichtsausdruck konnte McClintock nicht vergessen. Swetlanas Miene war leer, leblos, und das war nicht gespielt.
Man hat sie geknackt, dachte McClintock. Man hat sie geknackt und wieder laufenlassen. Warum, wuÃte er nicht. Eine Stunde später brachte er die Industriellen zurück in ihr Hotel und fuhr in sein Büro, um einen dreiseitigen Bericht
nach London zu schicken. Daà die Meldung einen Feuersturm auslösen sollte, konnte er nicht ahnen. Und er wuÃte auch nicht, daà gleichzeitig ein anderer SIS-Offizier einen Bericht nach London geschickt hatte.
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»Hallo, Arthur«, sagte die Stimme am Telefon.
»Tag, Basil. Wie ist das Wetter in London?«
»NaÃkalt und scheuÃlich. Ich habe vor, auf Ihrer Seite des groÃen Teiches ein biÃchen Sonne zu tanken.«
»Dann müssen Sie unbedingt bei uns reinschauen.«
»Hatte ich auch vor. Gleich morgen früh?«
»Sie bringe ich in meinem Terminkalender immer unter.«
»Bis morgen dann.«
»Fein, bis dann.« Judge Moore legte auf.
Was für ein Tag, dachte der Direktor der CIA. Erst verlieren wir KARDINAL, und jetzt will Sir Basil Charleston etwas mit mir besprechen, für das ihm selbst das sicherste Telefonsystem, das sich NSA und GCHQ einfallen lieÃen, nicht sicher genug ist. Es war noch nicht einmal Mittagszeit, und er saà schon seit neun Stunden im Büro. Himmel, was geht sonst noch schief?
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»Und das nennen Sie Beweise?« General Jewgeni Ignatjew leitete die Spionageabwehr des sowjetischen Militärnachrichtendienstes GRU.
Watutin war verblüfft â und wütend â, weil der KGB-Vorsitzende diesen Mann in sein Büro geschickt hatte, um seinen Fall zu überprüfen.
»Genosse, wenn Ihnen eine plausible Erklärung für den Film, die Kamera und das Tagebuch einfallen sollte, wäre ich dankbar, wenn Sie sie mit mir teilen könnten.«
»Sie nahmen den Film ihm ab, nicht der Frau.« Das war eine Feststellung, keine Frage.
»Ein Fehler von mir«, erwiderte Watutin schlicht.
»Und die Kamera?«
»War magnetisch an der Rückseite seines Kühlschranks befestigt.«
»Wie ich sehe, blieb sie bei der ersten Durchsuchung der Wohnung unentdeckt. Sie wies keine Fingerabdrücke auf. Und Ihre Aufnahmen von Filitow zeigen nicht, daà er sie auch benutzt hat. Was, wenn er nun behauptet, Sie hätten ihm Film und Kamera nur untergeschoben? Wie soll ich dann den Minister davon überzeugen, daà er der Lügner ist?«
Watutin war vom Ton der Frage überrascht. »Sie glauben also, daà er ein Spion ist?«
»Was ich glaube, ist nicht von Belang. Die Existenz des Tagebuchs beunruhigt mich zwar, aber Sie können sich nicht vorstellen, mit welchen VerstöÃen gegen die Sicherheitsvorschriften ich gerade bei Hochgestellten zu tun bekomme. Je wichtiger jemand ist, desto unwichtiger sind ihm die Vorschriften. Sie wissen ja, wer Filitow ist. Berühmt in der ganzen Sowjetunion, Mischa, der Held von Stalingrad. Er kämpfte bei Minsk und Wjasma, vor Moskau, wo wir die Faschisten stoppten,
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