Der Kardinal im Kreml
meine Karriere kostet, Andrej â, ich kann es nicht zulassen, daÃ
man Ihnen jetzt Knüppel zwischen die Beine wirft. Sie haben noch soviel zu tun, zu vieles muà geändert werden. Gut, ich muà abtreten, das weià ich. Aber Sie müssen bleiben, Andrei. Das Volk braucht Sie.«
Bemerkenswert, daà er Volk gesagt hat und nicht Partei, dachte Narmonow und fragte: »Nun, Ilja, was werden Sie tun?«
»Ich werde Sie unterstützen, auch wenn es meinen Sturz bedeutet. Und meine Swetlana wird die Folgen ihrer Taten tragen müssen.« Wanejew richtete sich auf und fuhr sich über die Augen.
»Vielleicht muà ich selbst Sie anprangern«, sagte Narmonow.
»Dafür hätte ich Verständnis, Andruschka«, erwiderte Wanejew würdevoll.
»Ich würde es allerdings lieber vermeiden. Ich brauche Sie, Ilja. Ich brauche Ihren Rat. Wenn sich Ihr Posten retten läÃt, will ich das tun.«
»Mehr kann ich nicht verlangen.«
Zeit, dem Mann Mut zu machen. Narmonow stand auf, kam hinter dem Schreibtisch hervor und drückte seinem Freund die Hand. »Gehen Sie ohne Vorbehalte auf alle Vorschläge ein, die man Ihnen macht. Und wenn die Zeit reif ist, zeigen Sie ihnen, was für ein Mann Sie sind.«
»So wie Sie, Andrej.«
Narmonow brachte ihn zur Tür. Er hatte bis zum nächsten Termin noch fünf Minuten Zeit, die er zum Stimmenzählen nutzte. Im Grunde sollte er es leichter haben als der amerikanische Präsident, denn in der Sowjetunion haben nur die Vollmitglieder des Politbüros, nun dreizehn an der Zahl, das Stimmrecht, aber jeder Mann repräsentierte ein ganzes Bündel Interessen, und Narmonow verlangte von jedem unerhörte Entscheidungen. Letzten Endes aber zählte Macht mehr als alles andere, sagte er sich, und auf Verteidigungsminister Jasow konnte er sich nach wie vor verlassen.
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»Es wird Ihnen hier bestimmt gefallen«, sagte General Pokryschkin, als sie den Zaun abschritten. Die KGB-Wachposten
salutierten, und die beiden Männer erwiderten den halbherzigen GruÃ. Die Hunde hatte man inzwischen abgezogen, was Gennadi trotz der angespannten Versorgungslage für einen Fehler hielt.
»Meiner Frau bestimmt nicht«, erwiderte Bondarenko. »Seit zwanzig Jahren ist sie mir von einem Posten zum anderen gefolgt und hat sich jetzt an Moskau gewöhnt.« Er schaute über den Zaun und lächelte. Kann man dieser Aussicht je müde werden? Aber was wird meine Frau sagen? Es kam aber nicht oft vor, daà ein sowjetischer Soldat vor eine solche Wahl gestellt wurde, und das würde sie bestimmt verstehen.
»Vielleicht läÃt sie sich mit Generalssternen für Sie versöhnen. AuÃerdem sind wir dabei, das Leben hier angenehmer zu machen. Im nächsten Sommer wird die Schule fertig, dann kommen alle Kinder hierher. Selbstverständlich« - er lachte â »müssen wir dann noch einen Wohnblock hochziehen.«
»Wenn das so weitergeht, haben wir in fünf Jahren nicht mehr genug Platz für die Laser. Wie ich sehe, haben Sie den höchsten Punkt für sie freigehalten.«
»Ja, nach neun Monaten Papierkrieg bekam ich die Genehmigung auf das Argument hin, daà wir dort später etwas Leistungsfähigeres bauen könnten.«
»Den wahren Hellen Stern.«
»Den Sie errichten werden, Gennadi Josifowitsch.«
»Jawohl, Genosse General. Ich nehme Ihr Angebot an, wenn Sie mich noch haben wollen.« Er drehte sich um und schaute noch einmal über das Gelände. Eines Tages ist das alles mein.
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»Allahs Wille«, meinte der Major achselzuckend.
Er wurde des Ausspruchs müde. Die erzwungene Ãnderung ihrer Pläne stellte die Geduld und sogar den Glauben des Bogenschützen auf die Probe. Seit sechsunddreiÃig Stunden rollten immer wieder sowjetische Truppentransporte über die TalstraÃe. Die Hälfte seines Verbandes war nun auf der anderen Seite, der Rest beobachtete
die Kolonnen von Lastern und Schützenpanzern und wartete.
»Warten fällt schwer«, bemerkte der Major. »Der Verstand hat nichts zu tun, Fragen schleichen sich ein.«
»Was sind Ihre Fragen?«
»Wann hat der Krieg ein Ende? Es gehen Gerüchte, aber die höre ich schon seit Jahren. Ich habe diesen Krieg satt.«
»Die meiste Zeit haben Sie doch auf der anderen Seite â«
Der Kopf des Majors fuhr herum. »Sagen Sie das nicht! Jahrelang habe
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