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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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nicht höher als der meines Vorgesetzten!« betonte Sarudin und griff nach dem Telefon. Er hatte die Fluglotsen anweisen können, die amerikanische Maschine zur Rückkehr aufzufordern; daß der Befehl mißachtet wurde, wunderte ihn nicht.
    Ryan saß ganz still da, atmete kaum und bewegte noch nicht einmal den Kopf. Solange die nicht die Beherrschung verlieren, bist du ganz sicher, sagte er sich. Golowko war zu schlau, um etwas Unsinniges zu tun. Er wußte, wer Ryan war, und er wußte auch, was geschehen würde, wenn
ein akkreditiertes Mitglied einer diplomatischen Delegation auch nur einen Kratzer abbekam. Etwas blessiert war Ryan schon: Sein Knöchel schmerzte teuflisch, und sein Knie blutete, aber das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Golowko starrte ihn finster an. Ryan erwiderte den Blick aber nicht, sondern kämpfte seine Angst nieder und versuchte, gelassen auszusehen.
    Â»Wo ist seine Familie?« fragte Watutin.
    Â»Gestern nach Tallinn geflogen«, antwortete Wassili lahm. »Um Verwandte zu besuchen –«
    Â 
    Nun ging es für alle zu Ende. Bondarenkos Männer hatten nur noch je ein halbes Magazin. Zwei waren Handgranaten, die der Feind ins Gebäude geworfen hatte, zum Opfer gefallen. Der Oberst hatte mit ansehen müssen, wie sich ein Schütze über eine Granate warf, um seine Kameraden zu schützen; er wurde zerrissen. Das Blut des Jungen bedeckte die Fliesen wie nasse Farbe. An der Tür lagen übereinander die Leichen von sechs Afghanen. Wie weit war das motorisierte Regiment noch entfernt? Eine Stunde, das war nur eine kurze Zeitspanne – ein halber Film, eine Fernsehsendung, ein angenehmer Abendspaziergang, aber eine Ewigkeit, wenn auf einen geschossen wurde. Jede Sekunde schien sich endlos hinzuziehen, der Sekundenzeiger stand auf der Stelle, und schnell ging nur das Herz. Einen Nahkampf erlebte er erst zum zweitenmal. Nach dem ersten hatte er einen Orden bekommen; sollte auf den zweiten sein Begräbnis folgen? Das durfte er nicht zulassen. In den Stockwerken über ihm befanden sich Hunderte von Menschen  – Ingenieure, Wissenschaftler, ihre Frauen und Kinder –, deren Leben von seiner Fähigkeit abhing, die afghanischen Angreifer nur eine knappe Stunde lang aufzuhalten.
    Â 
    Er hatte versagt. Seine Männer hatten ihn mit der Führung betraut, aber der Bogenschütze hatte sie im Stich gelassen. Rundum Leichen im Schnee; jede schien ihn anzuklagen. Er konnte einzelne Feinde töten und Flugzeuge vom Himmel
holen, aber große Verbände hatte er nie führen gelernt. Lastete Allahs Fluch auf ihm, weil er russische Flieger gefoltert hatte? Nein! Noch gab es Feinde, die getötet werden mußten. Mit einem Wink befahl er seinen Männern, durch zerbrochene Fenster ins Erdgeschoß zu dringen.
    Â 
    Der Major führte an der Spitze, wie es die mudschaheddin erwarteten. Zehn hatte er an den Bunker herangebracht und unter dem Schutz des Sperrfeuers den Rest seiner Kompanie an die Wand dicht beim Haupteingang geführt. Es klappt alles, dachte er. Fünf Mann hatte er verloren, aber für eine solche Operation war das nicht viel. In Gedanken bedankte er sich bei den Russen für die gründliche Ausbildung.
    Der Haupteingang hatte eine Stahltür, an deren beiden unteren Ecken er Sprengladungen anbrachte. Russisches Gewehrfeuer fegte ihm über den Kopf, aber die Bunkerinsassen wußten nicht, wo er war. Er machte die Ladung scharf, zog an der Zündleine und rannte um die Ecke.
    Â 
    Pokryschkin fuhr zusammen, als es geschah, fuhr herum und sah die schwere Stahltür durch den Raum fliegen und gegen ein Steuerpult prallen. Der KGB-Leutnant wurde von der Druckwelle auf der Stelle getötet, und als Pokryschkins Männer losstürmten, um die Bresche in der Wand zu halten, kamen drei weitere Sprengsätze hereingeflogen. Eine Fluchtmöglichkeit gab es nicht. Die KGB-Truppen feuerten weiter und erschossen einen der Angreifer in der Tür, doch dann gingen die Ladungen los.
    Ein seltsam hohler Knall, dachte der Major. Der Explosionsdruck wurde von den dicken Betonmauern zurückgehalten. Eine Minute später stürmte er seinen Männern voraus hinein. Elektrische Anlagen schlugen Funken, bald mußten Brände ausbrechen, aber soweit er sehen konnte, lagen alle Bunkerinsassen am Boden. Rasch gingen seine Männer von einem zum anderen, griffen sich die Waffen und erschossen jene, die

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