Der Kardinal im Kreml
hatte. Erst als er den Wagen schon verlassen hatte, ging ihm auf, daà eine Ãbergabe stattgefunden haben muÃte, doch er war zu überrascht gewesen, um richtig zu reagieren.
Der Rang des KGB-Mannes, der in Spanien eingesetzt gewesen und nach einem Herzanfall in die Zentrale versetzt worden war, war Major. Er hatte erwartet, als Belohnung für seine Arbeit zum Oberst befördert zu werden, doch daran dachte er im Augenblick nicht. Seine Augen suchten den Bahnsteig nach dem Mann im braunen Mantel ab. Da! Er setzte sich in Bewegung, spürte ein leichtes Ziehen in der linken Brust, kümmerte sich aber nicht darum. Er kam bis auf fünf Meter an den Mann heran und hielt diese Distanz. Nun war Geduld angesagt. Er folgte ihm durch den Tunnel zur Station Gorkowskala und auf den Bahnsteig. Hier wurde es schwierig. Auf dem Bahnsteig drängten sich Menschen, die zur Arbeit wollten, und er verlor sein Opfer aus den Augen. Der KGB-Mann war kleinwüchsig und hatte in Menschenmengen Probleme. Konnte er es wagen, noch näher heranzugehen? Dazu muÃte er sich durch die Menge drängen â und Aufmerksamkeit erregen. Das war gefährlich.
Natürlich war er für solche Situationen ausgebildet worden, aber das war zwanzig Jahre her. Er wuÃte, wie man einen Verfolger identifizierte und abschüttelte, war aber ein Mann des Ersten Direktorats, zu dessen Repertoire die Beschattungskünste des Zweiten Direktorats nicht gehörten. Was jetzt? tobte er stumm. Welch eine Chance! Was aber, wenn dies nur eine Ãbung des Zweiten Direktorats war? Handelte er sich nur einen Tadel ein, wenn er eingriff? Was mache ich jetzt? Er schwitzte in dem kalten U-Bahnhof, und die Brustschmerzen fügten seinem Dilemma noch einen weiteren Faktor hinzu. Ãberall im Moskauer U-Bahn-Netz gab es Geheimtelefone, die jeder KGB-Offizier zu benutzen verstand, aber ihm fehlte die Zeit, einen Apparat ausfindig zu machen.
Also muÃte er dem Mann weiter folgen, das Risiko eingehen.
Der KGB-Mann schlängelte sich durch die Menge, steckte mürrische Zurechtweisungen ein und fand seinen Weg schlieÃlich von einem Arbeitstrupp blockiert. Er verdrehte den Hals nach seinem Opfer â ja , da stand er und guckte nach rechts... Das Geräusch eines einfahrenden Zuges brachte Erleichterung.
Er blieb stehen und war bemüht, nicht zu oft zu seinem Ziel hinüberzuschauen. Wagentüren öffneten sich zischend, Menschen stiegen aus, scharfes Scharren, als Fahrgäste zu den Türen drängten.
Der Wagen war voll! Sein Mann war drinnen, aber vor den Türen stauten sich die Menschen. Der KGB-Mann hastete zur hinteren Tür und kämpfte sich Sekunden, bevor sie geschlossen wurde, hinein. Ein kalter Schauer überlief ihn, als er erkannte, daà er sich wohl zu auffällig verhalten hatte, doch daran lieà sich nichts mehr ändern. Als der Zug anfuhr, begann er sich nach vorne vorzuarbeiten. Sitzenden und Stehenden fiel sein ungehöriges Verhalten auf. Eine Hand rückte einen Hut zurecht. Drei oder vier Zeitungen raschelten â jedes dieser Signale konnte eine Warnung für den Kurier darstellen.
Das war auch der Fall. Ed Foley wandte den Kopf ab,
nachdem er mit einer Hand, die in einem Handschuh steckte und einen anderen hielt, seine Brille zurechtgerückt hatte. Der Kurier wandte sich nach vorne und begann mit der Fluchtprozedur. Foley kümmerte sich um seine eigene. Der Kurier würde sich des Filmes entledigen, indem er ihn erst aus der Kassette zog und dem Licht aussetzte und dann in den nächsten Abfalleimer warf. Das war seines Wissens zweimal erforderlich gewesen, und beide Male war der Kurier ungeschoren davongekommen. Die sind gut ausgebildet, dachte Foley, die wissen, wieâs gemacht wird. KARDINAL bekam halt eine Nachricht und fertigte einen neuen Film an und..., aber so etwas war Foley noch nie passiert, und er hatte alle Mühe, ausdruckslos zu bleiben. Der Kurier rührte sich nicht. An der nächsten Haltestelle sollte er ohnehin aussteigen. SchlieÃlich hatte er nichts Ungewöhnliches getan. Er würde eben sagen, dieses komische kleine Ding â was, da ist ein Film drin, Genosse? â einfach auf dem Wagenboden gefunden zu haben. Der Mann versuchte nun, den Film in seiner Tasche aus der Kassette zu ziehen. Für solche Fälle lieà man immer ein Stück herausstehen, an dem man ziehen konnte â das hatte man ihm wenigstens gesagt.
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