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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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eiligst zur Entwicklung gegeben, und dann gingen die Sucher ans Werk. Das Tagebuch wurde fast sofort entdeckt. Watutin beugte sich erst über das offen in der Schublade liegende schlichte Buch, um sich davon zu überzeugen, daß seine Position nicht heimlich markiert war. Nach ein, zwei Minuten nahm er es und begann zu lesen.
    Oberst Watutin war reizbar, denn er hatte schlecht geschlafen. Wie die meisten starken Trinker benötigte er ein paar Glas zum Einschlafen, und die Erregung über den neuen Fall in Verbindung mit dem Fehlen des Sedativums hatte ihm eine unruhige Nacht beschert. Das sah man ihm so deutlich an, daß sein Team tunlichst den Mund hielt.
    Â»Kamera«, sagte er knapp. Ein Mann kam herüber und begann die Seiten des Tagebuchs, die Watutin umschlug, zu fotografieren.
    Â»Jemand hat versucht, das Schloß zu öffnen«, meldete ein Major. »Kratzer am Schlüsselloch. Wenn wir das Schloß zerlegen, werden wir wohl auch welche am Mechanismus finden. Vermutlich ist jemand hier eingedrungen.«
    Â»Was wir suchen, habe ich schon«, versetzte Watutin mürrisch. Überall in der Wohnung verdrehte man die Hälse. Der Mann, der den Kühlschrank überprüfte, löste das Blech vorne unter der Tür, schaute unter das Gerät und brachte dann das Blech nach der Unterbrechung wieder an.
»Dieser Mann führt doch tatsächlich ein Tagebuch! Kümmert sich denn kein Mensch mehr um Sicherheitsvorschriften?«
    Inzwischen sah er klar. Oberst Filitow fertigte in seinem Tagebuch die Rohfassung dienstlicher Berichte an. Jemand hatte das erfahren und war in die Wohnung eingebrochen, um Kopien zu machen ...
    Doch wie wahrscheinlich ist das? fragte sich Watutin. Warum schreibt er den Inhalt offizieller Dokumente aus dem Gedächtnis in sein Tagebuch, anstatt sich im Ministerium Fotokopien zu machen?
    Die Durchsuchung dauerte zwei Stunden, und das Team verließ das Haus in Zweiergruppen, nachdem man alles wieder so plaziert hatte, wie es vorgefunden worden war.
    Â 
    In seinem Büro las Watutin das fotografierte Tagebuch von vorne bis hinten durch; in Filitows Wohnung hatte er es lediglich überflogen. Das Fragment von dem erbeuteten Film stimmte genau mit der ersten Seite von Filitows Journal überein. Er verbrachte eine Stunde mit der Durchsicht der Fotografien. Die Informationen allein waren eindrucksvoll genug: Oberst Filitow beschrieb Projekt Heller Stern in allen Einzelheiten, gewürzt mit Oberst Bondarenkos Bemerkungen zum Thema Sicherheit der Anlage und ein paar Beschwerden über Prioritäten im Ministerium. Fest stand, daß beide Oberste sehr begeistert von Heller Stern waren, und schon stimmte Watutin mit ihnen überein. Minister Jasow jedoch, las er, war sich noch nicht so sicher und beklagte sich über Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Mittel – na, das war doch wohl ein alter Hut.
    Filitow hatte mit der Aufbewahrung von Abschriften hochgeheimer Dokumente eindeutig die Sicherheitsvorschriften verletzt. Dies war an sich schon ernst genug, um einen kleinen oder mittleren Bürokraten die Stellung zu kosten, aber Filitow war ein hochgestellter Mann, und diese, das wußte Watutin nur zu gut, setzten sich oft im Interesse des Staates über die Vorschriften hinweg. Einer Sache
war er sich indes sicher: Ehe er oder jemand im KGB Filitow beschuldigen konnte, mußten schwerwiegendere Beweise als dieses Tagebuch aufgetrieben werden.
    Kann ein Held wie Filitow wirklich ein Spion sein? fragte sich Watutin. Das Türschloß kann doch jeder zerkratzt haben. Er gelangte zu der Annahme, der verschwundene Badewärter habe es verursacht. Was, wenn das Ganze nur ein Zufall ist?
    Was aber, wenn Mischa nur gerissen vorging? Was, wenn er uns glauben machen will, ein Dritter stähle Material aus seinem Tagebuch? Watutin konnte mit dem, was ihm vorlag, sofort ins Ministerium gehen, Filitow aber lediglich eine Verletzung der Haussicherheitsvorschriften vorwerfen. Und wenn der Oberst behauptete, zu Hause gearbeitet zu haben, und den Verstoß zugab, würde der Minister ihn dann stützen?
    Ganz gewiß. Filitow genoß Jasows Vertrauen und war ein verdienter Soldat. Wie immer war mit einem Schulterschluß der Armee gegen das KGB zu rechnen. Die Kerle hassen uns mehr als den Westen. Die sowjetische Armee hatte Stalins Säuberungen, die sie fast jeden hohen Offizier und beinahe den Verlust Moskaus an die Deutschen gekostet

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