Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
bewunderten Kartographen
machen würde, einen, um den sich die Kapitäne der Schiffe
rissen, die zu neuen Ufern segelten. Im Geiste konnte er die
hölzernen Planken der Karavelle schon knarren hören, die ihn
mitnehmen würde, konnte schon sehen, wie der Westwind die Segel
blähte.
Wieder brandete Gelächter durch den Raum, das Martin
Waldseemüller in die Gegenwart zurückholte. Die Hausfrau
löste die Tafel auf, und die Herren zogen sich zum Gespräch
zurück, wozu im Hause Amerbach auch immer ein guter
Selbstgebrannter gehörte. Waldseemüller nutzte die
Gelegenheit, sich zu verabschieden.
«Wartet, ich habe noch etwas für Euch», hielt Johann
Amerbach ihn auf. Er verschwand im Nebenzimmer und kam mit dem
Nachdruck des Augsburger Holzschnittes zurück, den er auf dem
Basler Markt erstanden hatte. Er war sorgfältig gereinigt und
wieder zusammengefügt worden. Waldseemüller, sichtlich
gerührt über so viel Gastfreundlichkeit, bedankte sich
herzlich.
Amerbach klopfte ihm auf die Schulter. «Eine Arbeit meiner Leute.
Kommt mich doch einmal in der Druckerei besuchen. Sie befindet sich im
‹Haus zum Sessel›. Nicht hier in Kleinbasel. Mein
Wohnhaus habe ich nur hier in der Rheingasse errichtet, damit ich dem
Kartäuser-Kloster Margaretental möglichst nahe bin. Selbst
meine Tochter habe ich Margarete genannt, um die Basler Kartause
gnädig zu stimmen.
Die Kartäuser haben eine prächtige Bibliothek mit vielen
alten Handschriften, müsst Ihr wissen. Das ist eine wahre
Fundgrube für einen Geschäftsmann wie mich. Und
außerdem sorgen unsere gutnachbarschaftlichen Beziehungen
dafür, dass ich hin und wieder in den Genuss des Besuches unseres
gemeinsamen Freundes Gregor Reisch komme. Doch wie gesagt, besucht mich
morgen einmal. Aber Ihr müsst versprechen, dass Ihr Eurem Onkel
nicht verratet, woran wir gerade arbeiten», scherzte er.
«Ich komme gerne», versprach Waldseemüller und
verabschiedete sich aufs Herzlichste von jedem Einzelnen aus der Runde.
Die beiden Männer sprachen wenig auf dem Weg und wenn, dann ging
es um die Frauen und im Besonderen um Marie Grüninger.
Waldseemüller hütete sich jedoch, einzugestehen, wie sehr er
von diesem Mädchen fasziniert war. Beiden war der Kopf ein wenig
schwer vom guten Amerbach‘schen Wein, den ein Agent des Hauses in
regelmäßigen Abständen aus dem Burgund anlieferte. Sie
empfanden auch keine Notwendigkeit, viele Worte zu machen. Zwischen
ihnen war in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft bereits jene Form von
Vertrautheit gewachsen, die keiner großen Worte mehr bedurfte.
Philesius brachte seinen Freund Ilacomylus bis in seine Kammer. «Zur Sicherheit», flachste er noch einmal.
Sekunden später wurde aus dem Scherz furchtbarer Ernst. Auf
Waldseemüllers Bett, mitten auf dem rotweiß-karierten
Überzug seines Federbetts, lag ein Toter in seinem Blut und
starrte mit leeren Augen an die Zimmerdecke.
3.
    Die vier Männer, die zwei Stunden später
in der engen Dachkammer Waldseemüllers eintrafen, musterten ihn
finster. Ihre Gesichter waren ebenso düster wie ihre Kleidung.
Zwei wandten sich dem Bett zu und beschäftigen sich ausgiebig mit
der Leiche. Sie wälzten den Toten hin und her. Dessen graue Augen
glotzten sie dabei ausdruckslos an. Durch die mehrmalige
Veränderung der Lage des Körpers verteilten sie das Blut
über das gesamte Bett. Damit war die kostbare Daunendecke
unbrauchbar geworden. Ilacomylus lief eine Gänsehaut über den
Rücken. Er konnte es sich ohnehin nicht vorstellen, jemals wieder
unter dieser Decke zu schlafen. Er wünschte sich nur, die
Männer würden mit dem Toten etwas weniger ruppig umgehen und
ihm wenigstens die aufgerissenen Augen zudrücken.
    Die beiden anderen durchwühlten
Waldseemüllers Habseligkeiten, ohne ihn zu fragen oder ihn auch
nur eines Blickes zu würdigen. «Sie glauben wohl, ich sei
ein feuerspeiender Urdrache mit finsteren Gedanken, der auf der Suche
nach Menschenfleisch ist», flüsterte er Philesius ins Ohr.
    Einer der Männer, die den Toten untersucht
hatten, schien ihn verstanden zu haben. Er wandte sich von der Leiche
ab und den beiden Freunden zu. Seine dunklen, kräftigen
Augenbrauen waren zusammengezogen, die Stirn gerunzelt, der Mund ein
schmaler Strich. «Wer von Euch wohnt hier?»
Martin Waldseemüller hob die Hand.
Der Blick des Mannes wurde noch finsterer. «Wo kommt
    Ihr her?» Er gab sich nicht die geringste Mühe, verbindlich zu wirken.
    «Aus Freiburg.» Martin
Waldseemüller schlug diese Art der

Weitere Kostenlose Bücher