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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Behandlung langsam aufs
Gemüt. Er war sich keiner Schuld bewusst und kam sich doch vor wie
ein Schwerverbrecher.
    Die Antwort schien dem Frager nicht zu gefallen.
«So, also kein Basler.» Er spuckte diese Feststellung
förmlich aus, als bereite ihm dieser Umstand körperliches
Unwohlsein.
    «Der gelehrte Martin Waldseemüller, auch
Ilacomylus genannt, ist ein bekannter Kosmograph, Mathematiker und
Drucker. Sein Onkel, Jakob Waldseemüller, Drucker zu Basel,
führt ihn in die Kunst des Karten-Holzschnittes und des Druckens
ein. Mein Freund hier verkehrt im Hause des ehrwürdigen Johann
Amerbach, der ihm sicher ein gutes Zeugnis ausstellt. Er ist
außerdem ein Schüler und Freund des berühmten Gelehrten
und Kartäuserpriors Gregor Reisch aus Freiburg. Und er stand als
Kleriker im Dienst der Diözese Konstanz. Ich lege für ihn die
Hand ins Feuer. Er kennt diesen Toten nicht.» Philesius sagte
dies im Brustton der Überzeugung, und Martin Waldseemüller
blickte dankbar zu ihm hinüber.
    Das Gesicht des Dunklen hatte sich bei dem Namen
Amerbach etwas aufgehellt. Alles andere, was Philesius ihm zugunsten
Waldseemüllers mitgeteilt hatte, schien ihn jedoch nicht zu
beeindrucken.
    Er wandte seine stechenden Augen Philesius zu.
«Wer seid Ihr?» Offensichtlich hatte er etwas gegen
ungefragte Einmischungen.
    «Matthias Ringmann, Magister der Sorbonne in
Paris, Lektor bei Johann Grüninger, berühmter Drucker zu
Straßburg, und Gast im Hause Amerbach.»
    «Wer ist der Mann da auf dem Bett?»
«Mein Freund Philesius sagte es bereits. Wir kennen ihn nicht.
Wir wissen auch nicht, wie er auf mein Bett kommt. Johann Amerbach
hatte uns zum Essen mit seiner Familie eingeladen. Als ich
zurückkam, lag der Tote auf meinem Bett. Das haben wir
natürlich sofort gemeldet.»
    Der Dunkle kniff die Augen zusammen und musterte
die beiden Freunde von oben bis unten. Es war klar, dass er
Waldseemüller nicht glaubte.
    «Was meint Ihr?», erkundigte er sich bei dem Mann, der sich noch immer mit dem Toten beschäftigte.
«Er ist erstochen worden. Von hinten. Die Tat eines Feiglings.»
Sein Kollege nickte. Das schien ihn in seinen Überzeugungen zu
bestätigen. Er musterte Waldseemüller und Ringmann voller
Verachtung. «Wir werden mit Amerbach reden.» Es klang
drohend.
«Und wir werden uns beim Magistrat über die Behandlung
beschweren», erwiderte Philesius mit aller Arroganz, die er
aufbringen konnte.
Dem Dunklen schien das keinerlei Respekt abzunötigen, er blickte
nur noch finsterer. Der Kollege am Bett und die anderen beiden hatten
inzwischen ihre Untersuchungen abgeschlossen und sich aufgerichtet. Der
Dunkle nickte ihnen stumm zu. Alle vier schickten sich an, das Zimmer
ohne ein weiteres Wort zu verlassen.
«Was ist mit dem Toten?», wollte Martin Waldseemüller wissen.
Die Antwort klang ebenso barsch wie die vorherigen Sätze. «Lasst ihn liegen. Wir werden ihn holen lassen.»
Zwei Stunden lang harrten sie mit dem Leichnam auf dem Bett aus. Sie
hatten den Tisch in die hinterste Ecke der Dachkammer geschoben, um
möglichst viel Abstand zwischen sich und die leblose Gestalt zu
bringen. Es war nicht der erste Tote, den Waldseemüller sah. Auch
Philesius hatte seine Erfahrungen mit dem Tod gemacht. Er gehörte
zum Alltag. Für Waldseemüller war es jedoch das erste Mal,
dass er verdächtigt wurde, einen Menschen vom Leben zum Tod
befördert zu haben.
Er rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Ringmann hockte in
Ermangelung einer weiteren Sitzgelegenheit auf dem Tisch, seine Beine
waren so lang, dass er mit den Fußspitzen gut den Boden
erreichte. Beide Männer schwiegen zunächst, beide versuchten
vergeblich, ihr Unbehagen zu verbergen. Die Zeit dehnte sich. Der Tote
lag in seiner Blutlache auf dem Bett und starrte an die Decke. Das Blut
trocknete langsam ein.
«Man sollte ihm die Augen schließen», schlug Ringmann
vor. Waldseemüller nickte und stand auf. Behutsam legte er die
Hand über die Augen und wollte die Lider hinunterdrücken. Er
meinte, den Tod zu riechen, als er sich über die Leiche beugte.
Die Lider ließen sich nicht mehr schließen, die Starre
hatte bereits eingesetzt.
Waldseemüller wusch sich die Hände in der Wasserschüssel, die neben dem Bett stand. Immer und immer wieder.
«Es sieht aus, als wolltet Ihr Eure Hände vom Blut eines
Menschen reinwaschen», bemerkte Philesius. Es sollte ein Scherz
sein. Doch was Waldseemüller anbetraf, so war er gründlich
misslungen. «Ich habe nichts mit diesem Tod zu tun.»
«Ich

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