Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
könnte
nicht behaupten, dass er bislang sehr zärtlich oder liebevoll zu
mir gewesen wäre.»
«Marie! Wie kannst du so etwas sagen!» Margarete Amerbach
hatte sich ebenfalls zu ihnen gesellt und der Unterhaltung
zugehört. Sie wirkte blass und unreif im Vergleich mit den drallen
Formen und prunkenden Farben ihrer etwa gleichaltrigen Freundin. Doch
sie hatte intelligente braune Augen. Sie errötete, als sich wegen
ihres spontanen Zwischenrufes nun alle ihr zuwandten.
«Ach Margret, die Männer mögen es, wenn man sie ein
wenig neckt», erwiderte Marie Grüninger lachend.
«Manche haben aber auch ein ernsthafteres Gemüt»,
entfuhr es Martin Waldseemüller. Margarete Amerbach schaute ihn
dankbar an. Marie Grüninger schien die Bemerkung jedoch nicht
anzufechten. «Puh, da haben wir ja einen gar düsteren
Schulmeister», unkte sie.
«Marie!»
«Ja, ist ja schon gut, Margret. Du scheinst diesen gestrengen
Herrn hier zu mögen. Ich überlasse ihn dir. Und sag jetzt
nicht wieder: Marie!»
Margarete Amerbach wurde tiefrot. Johann Amerbach tätschelte
seiner Tochter väterlich die Wange. «Gräm dich nicht,
mein Vögelchen. So sehr ich deine Freundin Marie auch mag. Sie hat
viele Gaben, vor allem äußerliche. Deine innerlichen sind
mir aber ebenso lieb. So, und nun müssen wir dich entschuldigen.
Dort hinten winkt schon deine Frau Mama. Sie bedarf offensichtlich
deiner Hilfe.»
Margarete Amerbach deutete einen kleinen Knicks an und lief zu ihrer
Mutter. Der Vater legte Ilacomylus den Arm um die Schultern.
«Kommt, ich will nicht, dass Ihr denkt, ich hätte Euch in
meiner Einladung zu viel versprochen. Dort hinten, diesen Mann kennt
Ihr doch.»
«Reisch, welch ein Vergnügen! Macht Ihr wieder einmal einen
Besuch in Eurer früheren Kartause in Basel?» Martin
Waldseemüller eilte auf den Freund und Lehrer zu.
«Ilacomylus! Amerbach hatte mir eine Überraschung
versprochen, aber mit Euch hatte ich dann doch nicht gerechnet. Es ist
wirklich eine Freude. Und da ist auch noch Philesius! Schon so lange
hatte ich mir vorgenommen, Euch miteinander bekannt zu machen. Wie es
scheint, ist mir da nun ein anderer zuvorgekommen. Na, mein lieber
Philesius, was macht Euer Schädel? Hat Locher es inzwischen
geschafft, Euch weich zu klopfen?»
Matthias Ringmann schmunzelte. «Seit dem Überfall zieht mich
mein hochverehrter Mentor Reisch ständig damit auf. Dabei ist das
überhaupt kein Grund für Schadenfreude. Locher und seine
Bande haben mir ordentlich eingeheizt.»
«Kennt Ihr Locher?», erkundigte sich Martin Waldseemüller bei Gregor Reisch.
«Kennen ist zuviel gesagt. Ich traf ihn ein, zwei Mal. Er ist ein
schwäbischer Dickkopf und Heißsporn, außerdem
äußerst nachtragend. Aber unser Philesius hier hat sich gut
geschlagen. Jedenfalls hat er seinen vier Angreifern einige Blessuren
zugefügt, wie ich hörte. Besonders, als sie ihm die Beinlinge
auszogen.»
«Acht. Es waren acht.»
«Oh, da habt Ihr ja fast gekämpft wie Herakles vor Troja», spöttelte Reisch.
«Mindestens. Aber trotzdem hättet Ihr mir besser beibringen
sollen, wie man sich gegen solche Feinde wehrt. Die
Mathematikkenntnisse, die ich dank Euch gewonnen habe, waren mir
jedenfalls keine große Hilfe in dieser Nacht.»
«Ich erinnere mich, das habt Ihr mir auch geschrieben, nicht wahr?»
«Was wiederum den Schluss zulässt, dass ein Gelehrter nicht
unbedingt in allen Lebenslagen ein kluger Kopf sein muss»,
stellte Martin Waldseemüller fest.
«Fallt Ihr mir nun auch noch in den Rücken? Ich dachte, ich
hätte in Euch einen Freund gefunden, Ilacomylus», unkte
Philesius.
«Wer sagt denn, dass ich Euch meinte?», gab Waldseemüller zurück.
«So, und wen denn dann?»
«Darüber schweigt des Sängers Höflichkeit am
besten», meldete sich Amerbach zu Wort, der dem Geplänkel
schmunzelnd zugehört hatte. «Ich muss Euch nämlich noch
jemanden vorstellen, werter Ilacomylus. Das ist eine Begegnung, auf die
ich mich schon den ganzen Abend freue. Der Spötter, der jene aufs
Korn nimmt, die nichts anderes im Kopf haben, als neue Welten zu
entdecken, gegen den Mann, der der neuen Welt Gestalt geben wird. Kennt
Ihr den Dichter des Narrschiffs? Es ist ein wunderbares Werk, besonders die Holzschnitte dieses jungen
Albrecht Dürer sind bemerkenswert. Und außerdem verkauft
sich diese bissige Moralsatire bemerkenswert gut. Ich wollte, sie
wäre in meiner Druckerei erschienen.»
«Brant, Sebastian Brant, der Straßburger Stadtsyndikus ist
hier? Das wird wirklich ein Disput. Lasst

Weitere Kostenlose Bücher