Der Kartograph
mich überlegen, wie
schrieb er doch noch? ‹Ouch hat man sydt in Portigall und in
Hispanien überall Goldißlen funden und naket
lüt.› Ich meine, dass die ersten Ausgaben des Narrenschiffs 1494 gedruckt wurden, ein Jahr nach der Veröffentlichung des
berühmten Briefes des Kolumbus von 1493 über die Entdeckung
der neuen Inseln. Ist nicht auch eine Ausgabe in Basel
erschienen?»
«Ja, allerdings bei Bergmann von Olpe. Dafür haben Brant und
ich den Petrarca zusammen herausgebracht. Aber egal. Ich sehe, Ihr
kennt Euren geistigen Widersacher jedenfalls, Ilacomylus»,
antwortete Amerbach. Er sah zufrieden aus. «Nun, vielleicht sage
ich Euch nichts Neues, wenn ich Euch mitteile, dass auch ich in Brants
Einwänden durchaus einen Sinn sehe.»
«Ihr seid eben ganz ein Mann des christlich-humanistischen
Weltbildes, werter Amerbach. Ich weiß, dass Ihr, wie ich auch,
mit gewissen umstürzlerischen Strömungen wenig anzufangen
wisst, die dieser Tage um sich greifen», hakte Reisch ein.
«Ihr sprecht gewiss von der wachsenden Kritik an den Umtrieben
der Klerikalen. Stimmt es denn nicht, dass sich so mancher Diener der
Kirche eher wie ein Hurenbock aufführt? Dass die Heuchelei um sich
greift, dass die Pfaffen nach vorne den Männern schön tun und
hinten herum den Weibern unter den Rock greifen?» Philesus hatte
sich sichtlich in Rage geredet, besann sich dann aber wieder.
«Oh, verzeiht, ich wollte Euch nicht beleidigen.»
Amerbach schien konsterniert, fasste sich jedoch schnell und lachte
gutmütig, so dass sich die Situation rasch wieder entspannte.
«So hat denn das Gedankengut, das allenthalben an Eurer neuen
Wirkungsstätte Straßburg gepredigt wird, auch schon in eurem
Verstand Wurzeln geschlagen, mein lieber Philesius. Wir hätten
Euch nicht auf die Ill-Insel gehen lassen sollen. Doch nun lasst uns
Brant und unseren gemeinsamen Freund Ilacomylus miteinander bekannt
machen. Danach wird es wohl zur Tafel gehen. Ich sehe, dass die
Weibsleut uns die entsprechenden Zeichen geben.»
Es wurde wirklich ein anregender Disput. Waldseemüller genoss es,
mit anderen auf geistiger Ebene die Klingen zu kreuzen. Auch wenn Brant
und er sich über die Bedeutung der Fahrten des Kolumbus und des
Vespucci nicht einigen konnten. Brant hielt diese Suche nach neuen,
unbekannten Welten für ein Hirngespinst. Es gebe in der bekannten
Welt genügend zu entdecken. Nur ein Narr könne sich auf ein
solches Unternehmen einlassen. «Dieser Kolumbus und sein
angeblicher Seeweg nach Indien sind nichts als Scharlatanerie. Die
‹Epistula de Insulis Indiae supra Gangem nuper inventis›,
der Brief über die Seereise zu den indischen Inseln jenseits des
Ganges, ist nichts als blanker Unsinn. Ein ebenso großer Unsinn,
wie ihn dieser Marco Polo über die angeblich reichen Länder
im Osten verzapft hat», wetterte Brant im Brustton der
Überzeugung und säbelte ein gehöriges Stück des
köstlichen Schweinebratens ab, das ihm ein Diener vorgelegt hatte.
Dann spießte er es auf und tunkte es in die Schüssel mit der
braunen Soße.
Dieses Mal widersprach Waldseemüller ihm nicht. Er stimmte im
letzten Punkt mit Brant überein. Er misstraute den angeblichen
Entdeckungen des Kolumbus.
«Nun, Vespucci hat auch von Kannibalen berichtet. Drei seiner
Leute sollen sogar von ihnen gefressen worden sein. Wahrscheinlich
haben sie gebraten auch nicht viel anders ausgesehen als das Stück
Schwein auf Eurem Teller.» Philesius war offensichtlich auf
Provokation aus, stellte Martin Waldseemüller fest.
Glücklicherweise hatte offenbar niemand außer ihm die
Antwort gehört. Er starrte auf den Rest Fleisch vor sich, dann
schob er es mitsamt dem Fladenbrot beiseite. Der Hunger war ihm
vergangen. In diesem Moment sah er das amüsierte Funkeln in
Ringmanns Augen. Er schien den Disput mit Brant zu genießen. Die
beiden Männer hatten wohl schon mehr als eine solche Diskussion
miteinander ausgefochten.
Brant ließ sich nicht aus der Reserve locken, er winkte ab.
«Nichts als reißerische Details, dazu angetan, das
Interesse möglichst vieler zu wecken. Die Zeytungen haben sich
darauf gestürzt.»
Philesius schien nicht im Mindesten beeindruckt. «Nun, wie auch
immer, ob wahr oder nicht, Ihr müsst zugeben, es ist gut für
den Verkauf, nicht wahr?», erklärte er vergnügt.
Wieder einmal sagte sich Martin Waldseemüller, dass er sich
unbedingt originalgetreue Abschriften von Vespuccis Reisebeschreibungen
verschaffen müsse. Ebenso wie ein besseres Manuskript
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